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Politik Angela Merkel: »Ich bin ein einfach zu beobachtendes Kind«

Politik: Angela Merkel: »Ich bin ein einfach zu beobachtendes Kind«
Interview: Patrick Bauer und Sascha Chaimowicz

War die Kanzlerin eigentlich auch mal jung? Und was weiß sie vom Leben junger Menschen? Sascha Chaimowicz und ich trafen Angela Merkel im großen NEON-Interview. Draußen tobt die Debatte um Edward Snowdens NSA-Enthüllungen, im siebten Stock des Kanzleramts ist es still. Kein Gewusel, nur zwei Damen in Merkels Vorzimmer und der Regierungssprecher Steffen Seibert. In ihrem Büro schenkt die Kanzlerin den Kaffee persönlich ein: Milch, Zucker? Stellt man ihr die falsche Frage, wechselt sie vom typisch abstrakten und oft aussagefreien Merkel-Deutsch in einen erstaunlich direkten Genervtheitsmodus. Dieses Jetzt-passt-mal-auf-Umgangsdeutsch hält sie in der Öffentlichkeit gut zurück. Sie behält die Uhr im Blick und weist darauf hin, wie viel Interviewzeit noch bleibt. Insgesamt haben wir vierzig Minuten.

Frau Bundeskanzlerin, wir sind beide Ende zwanzig. Wann haben Sie sich das letzte Mal mit einem jungen Erwachsenen ausführlich unterhalten?
Das geschieht ziemlich oft. Vor Kurzem erst mit jungen europäischen Gewerkschaftern, mit einem jungen Ingenieur bei einem Betriebsbesuch, im Wahlkreis sowieso – oder bei einer der vielen Gesprächsrunden hier, es kommen ja nicht nur Menschen über fünfzig im Kanzleramt vorbei.

Die Kinder Ihres Mannes sind beide Anfang dreißig. Gibt es etwas, das Sie an denen erstaunt?
Schon die beiden sind sehr unterschiedlich, vor allzu pauschalen Aussagen über diese Generation hüte ich mich also. Mir scheint, bei vielen in Ihrer Altersklasse hat sich die Einstellung zum Beispiel zum Eigentum dahin gehend verändert: dass sie nicht mehr unbedingt alles besitzen wollen, sondern es ihnen schon reicht, es nutzen zu können – also kein eigenes Auto, dafür Carsharing. Ich habe auch den Eindruck, dass junge Erwachsene durchaus einiges an Druck empfinden, denn etwa die Gewissheit, beruflich irgendwo anzufangen und dort dann auch zu bleiben, ist so nicht mehr selbstverständlich. Also fragen sie sich, wie oft sie sich verändern müssen, wie flexibel sie sein sollten und wie sie das mit ihren privaten Wünschen und Bedürfnissen unter einen Hut bringen können. Berufswünsche, Partnerschaft, Familienwunsch – das alles heutzutage miteinander zu verbinden, ist schwieriger geworden. Der Druck, der daraus entstehen kann, ist nicht zu unterschätzen.

Der Arbeitsalltag vieler junger Menschen nähert sich dem der Bundeskanzlerin an: Man muss ständig erreichbar sein. Ein Profitipp von Ihnen: Wie schafft man sich dennoch Freiräume?
Die meisten haben sich zwar längst daran gewöhnt, unentwegt auf ihr Handy zu gucken. Trotzdem denke ich, dass es für Arbeitnehmer ein Recht auf Stunden geben muss, in denen sie ganz einfach nicht verfügbar sind. Für eine Bundeskanzlerin kann das natürlich nicht gelten.

Wie oft gucken Sie aufs Handy?
Häufig. Aber grundsätzlich nicht, wenn ich mich mit jemandem unterhalte.

Wenn Sie zurückdenken: Was war die 20-Jährige Angela Merkel für ein Mensch?
Ich bin ja auf dem Lande aufgewachsen, in der Uckermark, und hatte dort auch eine sehr glückliche Kindheit, aber als ich mit achtzehn Abitur gemacht hatte, wollte ich erst einmal in eine größere Stadt. Ich bin also zum Studieren nach Leipzig gegangen. Ich war ein neugieriger Mensch, wollte andere Länder kennenlernen. Für DDR-Bürger war die Reiserichtung natürlich im Wesentlichen vorgegeben: Ost-Südost. Dennoch: Bulgarien, Rumänien, Ungarn, Polen, Prag, Bratislava, das waren durchaus schon interessante Reiseziele und schöne Erlebnisse.

Fühlten Sie sich trotz der Grenzen frei, als Sie nach Leipzig zogen?
Frei insofern, als ich den gewohnten Raum des Elternhauses verließ. Wir haben zum Beispiel zu Hause immer um achtzehn Uhr zu Abend gegessen. Dazu läuteten immer die Glocken, wir wohnten ja in einer kirchlichen Einrichtung. Als ich in Leipzig um sechs die Glocken läuten hörte und dann zu Abend essen konnte, wann immer ich wollte und nicht mehr um sechs, fühlte sich das auf jeden Fall schon nach etwas Freiheit an.

Was war das Unvernünftigste, das Sie in dieser Zeit getan haben?
Zu viel Kirschwein getrunken. Da tritt die alkoholische Wirkung noch schneller ein als bei normalem Rotwein, das habe ich unterschätzt.

Wenn Sie zehn Jahre weiterdenken: Welches Lebensgefühl hat Sie bestimmt, als Sie dreißig waren?
Das war 1984, da war ich schon eine Weile berufstätig. Der Übergang vom Studium in die Berufstätigkeit war mir nicht leicht gefallen, diese Unvermeidlichkeit, jeden Tag zu einer bestimmten Uhrzeit zur Arbeit gehen zu müssen. Die politischen Umstände in der DDR haben mich damals bedrückt. Für mich als Wissenschaftlerin war ja klar, dass ich nie für längere Zeit ins westliche Ausland fahren oder an einem richtig guten Computer arbeiten konnte.

Wann saßen Sie zum ersten Mal an einem Computer?
Das muss Ende der Siebzigerjahre gewesen sein. Es waren Maschinen mit sehr kleinen Speichern und langsamen Prozessoren. Später in den Achtzigern saß ich immer an recht merkwürdigen IBM-Nachbauten.

Frau Bundeskanzlerin, wissen Sie, was ein Browser ist?
Natürlich. Warum?

Sie ernteten kürzlich viel Häme, weil Sie das Internet als »Neuland« bezeichneten.
Die immer neuen rechtspolitischen Fragen, die sich uns in der digitalen Welt des Internets stellen, sind Neuland. Nehmen Sie das Urheberrecht, bei dem wir uns mit einer Neufassung sehr schwertun. Noch haben wir keine Einigkeit darüber hergestellt, wie wir Künstler und Kreative in einer Zeit, in der gerade viele junge Menschen glauben, alles umsonst bekommen zu können, gerecht entlohnen. Oder nehmen Sie nur alle Fragen zum Datenschutz und zum Schutz der Privatsphäre: rechtspolitisch eine Herausforderung wie nur wenige andere Themen.

Zurück zur jungen Angela Merkel. Was Sie erzählen, klingt sehr strebsam. Waren Sie jemals richtig faul?
An Wochenenden schon mal, aber über längere Strecken richtig faul – nein. Damals war es auch nach dem Abitur nicht üblich, erst einmal ein Jahr freizunehmen, etwas auszuprobieren oder um die Welt zu reisen, was ja gar nicht möglich war.

Wann haben Sie sich denn erwachsen gefühlt?
Als ich mein Elternhaus verlassen habe. Der achtzehnte Geburtstag war für mein Leben eine wichtige Marke.

Interessant, denn heute fühlen sich Menschen immer später erwachsen. Woran mag das liegen?
Es ist ja nichts Neues, dass man sich selbst in meinem Alter innerlich immer jünger fühlt, als man aussieht oder wahrgenommen wird.

Wie alt fühlen Sie sich?
Gar nicht alt. Und dennoch möchte ich nicht wieder jünger sein.

Wenn Sie mit Ihrer Mutter sprechen: Fühlen Sie sich dann noch als Kind?
Man bleibt immer Kind, solange die Eltern leben. Aber sie sagt mir nicht mehr, was ich zu tun habe. Heute bin ich es, die sich umgekehrt auch ein wenig um meine Mutter kümmert. Mein Vater ist vor knapp zwei Jahren gestorben. Ich erinnere mich noch genau an das Gefühl, als wir Geschwister es in den Sommerferien zum ersten Mal schafften, unseren im Wasser stehenden Vater umzuwerfen. Auf einmal ging das. Da merkte ich: Jetzt nehmen unsere körperlichen Kräfte zu und die des Vaters langsam ab.

Kommt es vor, dass Ihre Mutter sagt: Ich hab dich gestern in der »Tagesschau« gesehen, zieh dir was Wärmeres an?
Sie sagt manchmal: Du sahst müde aus. Ich bin für meine Mutter ein einfach zu beobachtendes Kind. Es wird ja regelmäßig darüber berichtet, wo ich gerade bin.

Laut einer aktuellen Umfrage glauben nur vierzehn Prozent der unter Dreißigjährigen, dass sich die CDU besonders für die Belange junger Menschen einsetzt. Gleichzeitig würden 24 Prozent Ihre Partei wählen. Kann es sein, dass es außer Angela Merkel eigentlich keinen Grund gibt, die CDU zu wählen?
Weder legen die Zahlen das nahe, noch kann ich das bestätigen. Ich würde jungen Menschen immer raten, in der Politik gleichermaßen auf die Personen und auf die Inhalte zu achten.

Was ist cool an der CDU?
Mir gefällt, dass wir uns unideologisch, aber auf der Grundlage von Werten und Überzeugungen um die Probleme der Menschen kümmern.

Ist die Flexibilität der CDU nicht auch ein Problem? Unter Ihnen hat sich Ihre Partei in einigen Positionen der SPD oder den Grünen angenähert. Plötzlich waren auch Sie für den Atomausstieg. Plötzlich waren Sie auch für einen gesetzlichen Mindestlohn. Jetzt sind Sie plötzlich auch für eine Mietpreisbremse. Wenn es immer weniger Unterschiede zwischen den Parteien gibt, zählt vielleicht die Sympathie für einzelne Politiker mehr.
Ich sehe deutliche Unterschiede zwischen den Parteien. Fragen Sie sich einfach, wer für Ihre Zukunft die bessere Politik macht. Beispiel Bildung: Bei den Ergebnissen der PISA-Studien liegen unionsgeführte Bundesländer regelmäßig vorne.

Trotzdem: Einer NEON-Umfrage zufolge sagen 75 Prozent der 18- bis 35-Jährigen, dass es keine Beleidigung für sie sei, wenn man sie als unpolitisch bezeichnet.
Ich glaube diese Behauptung von der unpolitischen Generation nicht. Vielleicht ist Parteiarbeit für viele nicht so attraktiv, aber für Projekte, von denen sie überzeugt sind, Menschenrechte, Umweltschutz etwa, setzen sich viele doch mit ganzem Herzen ein. Ich bin so vielen jungen Menschen begegnet, die bei der Flutkatastrophe mit angepackt und selbstlos anderen geholfen haben. Nein, ich sehe eine große Bereitschaft, sich zu engagieren.

Lieber bei fünfzig Prozent Wahlbeteiligung gewinnen oder bei achtzig Prozent Wahlbeteiligung verlieren?
Bei achtzig Prozent gewinnen.

Frau Bundeskanzlerin, werden wir noch mal konkret. Wir sitzen abends am WG-Küchentisch, und Sie müssen uns in aller Kürze einige Entscheidungen erklären, die wir einfach nicht verstehen.
Na dann los.

Warum ist es richtig, dass die Bundesrepublik Waffen an Saudi-Arabien liefert?
Was wem geliefert werden darf, muss von Fall zu Fall entschieden werden, es gibt keine Blankoerlaubnis. In Ihrem Fall Saudi-Arabien wäre zu bedenken, dass wir mit dem Land gegen den islamistischen Terrorismus zusammenarbeiten. Gleichzeitig wäre die Lage der Menschenrechte zu beachten. Rüstungsexportentscheidungen wägen nach strengen Richtlinien verschiedene Gesichtspunkte ab.

Was spricht gegen eine Vermögenssteuer?
Dass man Menschen, die schon Steuern gezahlt haben, dadurch noch mal besteuert, nur weil sie erfolgreich waren.

Warum darf es keine Obergrenze für Managergehälter geben?
Diejenigen, die ein Unternehmen besitzen oder in ihm Verantwortung tragen, also der Aufsichtsrat und die Aktionäre, sollen entscheiden, wie hoch die Entlohnung der Manager sein sollte. Fest steht aber, dass manche Gehälter für niemanden mehr nachvollziehbar sind.

Wieso haben Sie gerade verhindert, dass die EU strenge Kohlendioxid-Grenzwerte für Autos beschließt?
Ich bin sehr für strenge CO2-Grenzwerte. Die Autohersteller müssen sie umsetzen können. Was ich nicht will, ist, dass man wegen der Grenzwerte in Deutschland keine großen Autos mehr bauen kann und wir so in Deutschland tausende von Arbeitsplätzen aufs Spiel setzen.

Sie reden oft von der Generationengerechtigkeit und meinen damit vor allem, den nachfolgenden Generationen nicht zu viele Schulden zu hinterlassen. Aber der Schutz der Umwelt ist doch für nachfolgende Generationen mindestens genauso wichtig. Waren im Fall der Kohlendioxid-Grenzwerte die Interessen der Autoindustrie wichtiger als unsere Interessen?
Nein. Es gibt sogar gute Beispiele dafür, wie aufgrund strenger Umweltrichtlinien Arbeitsplätze entstehen können – Kreislaufwirtschaft, Recycling, Abwasserreinigung. Im Interesse der Menschen müssen wir immer wieder die Notwendigkeiten einer funktionierenden Wirtschaft und den Umwelt- oder Klimaschutz zusammenbringen.

Wie viele Tage hätten Sie als junge Frau in einem Occupy-camp verbracht?
Keinen einzigen.

Dass sich Frauen für den politischen Protest ausziehen: gut oder schlecht?
Wir haben Demonstrationsfreiheit, auch die Wahl der Mittel ist frei, solange sie friedlich sind.

Wann haben Sie das erste Mal von Prism gehört, dem Überwachungsprogramm des US-Geheimdienstes NSA?
Über Programme wie Prism habe ich über die aktuelle Presseberichterstattung Kenntnis bekommen.

Ist Edward Snowden ein Held?
Ich maße mir kein Urteil über einen Menschen an, von dem ich nur das eine oder andere gelesen habe. Was wir wissen, ist, dass er für einen amerikanischen Nachrichtendienst arbeitete und sich entschloss, mit Medien zu sprechen und nicht zum Beispiel mit Vertretern des amerikanischen Parlaments, die mit Fragen der amerikanischen Nachrichtendienste befasst sind.

Das glauben Sie wirklich? Dass Snowden eine solche Möglichkeit gehabt hätte?
Ja.

Ein anderes Thema, das unsere Generation bewegt, ist Europa. Und die Eurokrise. Peer Steinbrück sagte im Juni im Bundestag zu Ihnen: »Die hohe Jugendarbeitslosigkeit ist eine direkte Folge der völlig einseitigen Sparpolitik, die Sie hier in Europa betrieben haben!« Was antworten Sie ihm?
Dass er es eigentlich besser weiß. Die von der Krise besonders betroffenen Länder hatten sich in einen Zustand der Verschuldung gebracht, in dem niemand mehr von ihnen eine Staatsanleihe kaufte. Das Problem musste an der Wurzel, also durch konsequenten Defizitabbau, angepackt werden. Hinzu kommt, dass der zu niedrigen Wettbewerbsfähigkeit einiger Länder nur mit klugen Strukturreformen beizukommen ist. Jedes europäische Land muss sich angesichts der weltweiten Konkurrenz fragen, welche seiner Güter und Waren die Welt kaufen soll. Wenn es nicht genügend leistungsfähige Unternehmen und innovative Produkte zu bieten hat, können keine nachhaltigen Arbeitsplätze entstehen.

Fakt ist: Gerade die jungen Menschen in den Krisenländern spüren die konkreten Wirkungen der Sparmaßnahmen. Wissen Sie, wie viel ein junger Assistenzarzt heute in Griechenland verdient?
Sie werden es mir sagen.

Etwa 1200 Euro brutto. Ist das gerecht?
Wir haben innerhalb Europas sehr große Gehaltsunterschiede. Man muss allerdings auch die Lebenshaltungskosten und die Steuersysteme mit einberechnen, deshalb ist ein Vergleich schwierig. Mit Sicherheit haben wir in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern ein sehr gutes Gehaltsniveau.

Das Problem in den europäischen Krisenländern ist doch aber, dass die Menschen weniger verdienen als noch vor wenigen Jahren, also dass der Lebensstandard aktuell sinkt. Sollte in dieser Situation ein junger Grieche oder Spanier sein Glück in Deutschland versuchen?
Das Ziel der Politik, auch unserer europäischen Hilfsprogramme, ist, dass in Spanien oder Griechenland die Bedingungen entstehen, unter denen die Menschen dort eine gute Zukunft haben können. Wenn sich in der Zwischenzeit junge Menschen entschließen, anderswo eine Ausbildung oder berufliche Chance zu suchen, dann sind sie willkommen. Ich bin ohnehin überzeugt, dass wir in Europa viel mehr berufliche Mobilität brauchen, so wie sie für Studenten jetzt schon selbstverständlich ist.

Sind Sie eigentlich froh, dass Sie nicht auf Bachelor und Master studieren mussten?
Ich bin mit meinem Diplom zufrieden. Bachelor und Master wurden eingeführt, damit die Abschlüsse international besser vergleichbar sind. Es muss aber sichergestellt sein, dass sie auch überall anerkannt werden.

Eine häufige Klage von Studenten lautet: Das Universitätssystem ist deutlich verschulter geworden. Ist das überhaupt im Sinne der Wissenschaft, für die Sie und Ihr Mann ja auch stehen?
Mein Studium war sehr wissenschaftlich und dennoch mindestens genauso strukturiert wie ein heutiges Bachelor- oder Masterstudium. Bei meinem Studienfach war es so, dass Sie erst die Mathematik begreifen mussten, bevor Sie die Physik verstehen konnten. Bei allen möglichen Defiziten an der praktischen Umsetzung ist der Ansatz der Bachelor- und Masterstudiengänge richtig. Gerade wenn heute so viele Studenten das Erasmus-Programm nutzen, brauchen sie international kompatible Studiengänge.

Wenn Sie heute noch einmal Studentin wären und die Wahl hätten: In welchem Land würden Sie einen Erasmus-Aufenthalt machen?
Weil ich Englisch kann und leider kein Französisch, würde ich in Europa wahrscheinlich nach Skandinavien oder Großbritannien gehen. Wenn ich Spanisch könnte, würde mich auch Spanien sehr reizen.

Was Sie genauso wie viele junge Menschen bewegt, die oft unterwegs sind, ist sicher die Frage: Wie bleibt man mit seinem Partner über die Distanz in Kontakt? Skypen Sie auf Dienstreisen mit Ihrem Mann?
Nein. Telefonieren reicht uns. Außerdem haben wir das Glück, dass Berlin nicht nur unser Arbeitsort ist, sondern immer schon unser Zuhause.

Sagt Ihr Mann manchmal: Du arbeitest zu viel?
Mein Mann arbeitet selber sehr viel. Und sehr gerne.

Sie haben mit 23 das erste Mal geheiratet. Glaubten Sie damals an die ewige Liebe?
Ja.

Heute auch noch?
Ja.

Der wichtigste Tipp für eine Beziehung?
Sich ausreichend Freiheit gönnen, gegenseitig Toleranz üben.

Peer Steinbrück hat uns neulich erzählt, er gucke begeistert die HBO-Serie »The Sopranos«. Welche Serie ist Ihrer Meinung nach die aktuell beste?
Ich habe mich dafür noch nicht interessiert, deswegen kann ich das nicht beurteilen. Was ich mir gerne mal anschauen würde, ist die US-Politserie »The West Wing«. Ansonsten bin ich konservativ und erfreue mich sonntags manchmal an »Inspector Barnaby«.

Sie haben kürzlich in einem Interview mit der »Brigitte« erklärt, wie es zu Ihrer typischen Handhaltung kam: Irgendwo müssten die Hände ja hin, und Sie würden Symmetrie mögen. Passiert es manchmal, dass Sie auf dem Sofa sitzen und unabsichtlich die Hände zur »Merkel-Raute« formen?
Nein, das ist eine ausgesprochene Stehhaltung, keine Sitzhaltung.

Wäre die Welt besser, wenn nur noch Frauen regieren würden?
Nein. Die Welt ist dann am besten, wenn Vielfalt herrscht.

Wurden Sie während Ihres Berufslebens schon einmal sexuell belästigt?
Nein.

Böse Sprüche gehört?
Ja, gelegentlich. Aber das spielt jetzt keine Rolle mehr.

Kennen Sie als Kanzlerin das Gefühl der Überforderung?
Nein, aber es gibt natürlich Aufgaben, die man nicht auf Anhieb überblicken kann. Das Geheimnis ist, große Aufgaben in viele kleine Aufgaben zu zerlegen und sich jeder einzelnen Schritt für Schritt zu nähern.

Müssen Sie sich bei jemandem entschuldigen?
Nein, ich glaube nicht.

Zu Beginn Ihrer Kanzlerschaft sagten Sie, Sie hätten die Hoffnung, am Ende Ihrer Amtszeit noch genug Freunde zu haben. Wird das was?
Es sieht gut aus, aber es ist natürlich noch zu früh, das wirklich zu wissen.

Haben Sie im Kanzleramt schon mal gebetet?
Ich hatte hier schon Gäste, die mit mir ein kleines Gebet gesprochen haben. Ich persönlich bete zu Hause. Oder in der Kirche.

Können Sie ein Lied auswendig?
Sicher! »Die Gedanken sind frei«, »Es ist ein Ros entsprungen«, »Am Brunnen vor dem Tore«, »Weißt du, wo die Sternlein stehen«, »Der Mond ist aufgegangen«. Jeder sollte ein paar Lieder auswendig kennen. Singen ist etwas sehr Schönes und Verbindendes. Ich finde es im Ausland immer etwas peinlich, wenn die Menschen dort mehrstrophige Lieder singen können, und die Deutschen kommen kaum über die ersten Zeilen hinaus.

Nutzen Sie Ihr iPad zum Musikhören?
Ja. Aber zum Fotografieren zum Beispiel nutze ich es nicht.

Frau Bundeskanzlerin, was würden Sie der 18-jährigen Angela Merkel, die gerade nach Leipzig gezogen ist und ab und an zu viel Kirschwein trinkt, aus heutiger Sicht raten, wenn Sie Ihr begegnen würden?
Bleib so, wie du bist. Erkunde die Welt. So, meine Herren, ich muss jetzt wirklich zum Flughafen.

Denken Sie sich bei all dem Stress eigentlich manchmal: Puh, jetzt ’ne Kippe?
Nein. Ich habe vor vielen Jahren mit dem Rauchen aufgehört. Ich war zuvor oft erkältet gewesen, seitdem habe ich einfach keine Lust mehr aufs Rauchen.