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Wissen »Eine Null zu viel«

Wissen: »Eine Null zu viel«
»Ich war eine Art Runner im Backstagebereich eines Festivals. Meine Aufgabe: mich um die Bands kümmern. Das Problem war der Popsänger Reamonn. Der mit dem Hit ›Supergirl‹. Er hatte Hunger, wünschte sich eine kalte Platte. Also organisierte ich eine kalte Platte. Eine Kollegin fuhr zum Discounter und kaufte in Plastik abgepackte Wurst und Käse. Ich bin nicht gut im Dekorieren, aber ich gab mir Mühe, diese Wurst und den Käse möglichst ansehnlich auf einen Pappteller zu schichten. Es sah leider wirklich fürchterlich aus. Nach besoffenem Grillfest und eh-schon-egal-schmeiß-einfach-drauf. Die Kollegin und ich spielten Stein-Schere-Papier, um auszumachen, wer ihm jetzt diese hässliche Platte in seinen Backstageraum bringen muss. Ich verlor. Ich klopfte, wollte möglichst beiläufig und schnell diese Platte auf seinem Tisch abstellen und verschwinden. Doch als Reamonn die Tür aufmachte und die Platte sah, bekam ich die Sorte Lachkrampf, die minutenlang anhält und immer schlimmer wird, je mehr man versucht, wieder ernst zu werden. Unter Tränen stellte ich die Platte auf seinen Tisch und ging. Einen weiteren Auftrag der Firma bekam ich nicht.«

Wann soll ich etwas im Meeting sagen, wie erobere ich einen Kollegen, ohne dass es alle mitbekommen und welche Rechte habe ich eigentlich als Praktikant? In der aktuellen NEON-Ausgabe geben Redakteure und Experten Tipps, wie du beim Praktikum gut über die Runden kommst. Trotzdem passieren immer wieder peinliche Situationen. NEON-Redakteure beichten ihre peinlichsten, witzigsten und dämlichsten Geschichten. Viel Spaß!

Sascha Chaimowicz, Textredakteur

»Ich bin gesichtsblind. Bei meinem Zivildienst verwechselte ich die Chefin mit ihrer Sekretärin und fragte sie, ob sie mir einen Zug raussuchen kann.«
Jakob Schrenk, Textredakteur

»Die Blattkritik bei einer Zeitschrift lief damals super für mich, den neuen Praktikanten. Bis ich als einzig wirklich großen Kritikpunkt die Karikaturen geißelte, die in jeder Ausgabe erschienen. Gar nicht mein Humor – und das brachte ich zum Ausdruck. Sehr deutlich. Was ich nicht wusste: Dieser Karikaturist war ein sehr, sehr guter Freund der Chefredaktion, meine Wortwahl eindeutig, nun ja, zu wenig ausdifferenziert. Es wurde merklich leiser im Konferenzraum – in meiner Erinnerung erstarb sogar das Vogelgezwitscher vor dem Fenster. Wenigstens bewiesen meine damaligen Chefs Größe: Als ich einige Tage später bei einer Lesung mit eben jenem Karikaturisten am Tisch saß, erfuhr ich das erst hinterher. Und – viel wichtiger – sie ersparten sich, mich mit den Worten vorzustellen: ›Ach, übrigens, das ist Max, der findet deine Arbeit aber mal so richtig schlecht!‹.«
Max-Jacob Ost, Online-Redakteur

»Ich habe eine Lehre als Konditor begonnen, das war ein sehr feiner Laden in Montreux. Der Chef hatte sich einen Tag frei genommen, arbeitete den ganzen Tag aber an kunstvollen mehrstöckigen Torten für die Hochzeit seiner Tochter, die er in einen Tablettwagen stellte. Die habe ich – alle sechs – mit einem Tablett in der falschen Schiene geköpft. Der Chef hat erst hysterisch gelacht, ist dann in seinen Raum gegangen um einen Schnaps zu trinken und ging dann weinend nach Hause. Ich fühlte mich schrecklich. Die Woche darauf hatte ich Ofendienst.«
Jonas Natterer, Art-Director

»Vor drei Jahren war ich Volontär in einer Kölner TV-Produktionsfirma. Damals ging die Smartphone-Film-Hysterie so richtig los. Für unsere Website waren wir deshalb immer auf der Suche nach witzigen Inhalten. Eines Tages beobachtete ich in der U-Bahn einen jungen Mann mit Pomade im Haar, Goldkettchen und einer Käppi mit der Aufschrift „I got 99 Problems“. Er tanzte zu basslastiger Musik aus seinen Kopfhörern. Obwohl Tanzen vielleicht nicht das richtige Wort ist: Er zuckte wie von der Tarantel gestochen unaufhörlich mit seinen Gliedern. Ich öffnete die Kamera-App und hielt ungeniert drauf. Was für ein Anblick! Nach 30 Sekunden tippte mir eine alte Dame auf die Schulter und fragte mich, was ich da mache. Ich stammelte etwas von „Plug-In“ und „Device“ – ein kläglicher Versuch, sie mit meinem „Technikjargon“ zu übertölpeln. Währenddessen hatte der Mann seine Kopfhörer abgelegt und beschimpfte mich aufs Übelste. Ich blickte ihn stumm an und fragte mich: Was würde Jesus tun? Folgendes sicher nicht: Ich rannte zur U-Bahn-Tür (die sich just in diesem Moment öffnete. Halleluja!) und machte mich aus dem Staub. Seitdem vollführe ich den Schulterblick, wenn ich mein Smartphone in der Öffentlichkeit raushole. Man weiß ja nie.«
Onur Yildirancan, Online-Redakteur

»Vor etwa zwei Jahren habe ich spontan einen Job in Köln angenommen. Mein neuer Chef hat mir damals angeboten, dass ich die ersten Wochen bei ihm wohnen könne. Da die Wohnungsnot in Köln groß ist, habe ich nicht sofort ein Zimmer gefunden und das Angebot gern angenommen. Als ich mit meinen Taschen aus Berlin angereist bin, hat er mich nett empfangen. Der Schock kam erst, als ich das Bad sah: staubig, dreckig, siffig. Natürlich konnte ich ihm nicht gleich am ersten Arbeitstag sagen: Der Job ist toll, aber deine Wohnung ist eklig. Ich habe dann heimlich die Badewanne, das Waschbecken und die Toilette geputzt. Als er mich gefragt hat, ob ich mich wohlfühle, habe ich gemurmelt: ›Ja, die Wohnung ist wirklich schön, nur im Bad, da ist mir Nagellackentferner ausgelaufen. Ich hab das mal weggewischt.‹ Nach zwei Wochen hatte ich zum Glück ein WG-Zimmer gefunden und konnte ausziehen.«
Martina Kix, Textredakteurin

»Als wir vor zehn Jahren die NEON entwickelt haben, war unsere Arbeit, die Konzepte, das Layout, einfach alles streng geheim. Es war oberste Pflicht, nichts zu erzählen. Ich saß an einem Tag allein in dem Arbeitskeller, sortierte Bilder. Eine junge Frau klopfte an der Tür, und stellte sich verschüchtert und etwas ungelenk vor. Projektleiterin Hamburg, ihren Namen hatte ich schon oft gehört. Sie interessierte sich sehr für das Projekt, ich zeigte ihr unsere Entwürfe und erlaubt ihr sogar Kopien der Titelgeschichte zu machen. Als sie ging, kamen die Zweifel. ›Verdammt, Feigl! Was machst du, wenn die gelogen hat?‹ Ich konnte mehrere Wochen schlecht schlafen, den Chefs sagte ich nichts und hoffte inständig, dass sie keine Spionin war. Das wäre ein echtes Desaster gewesen. Auf der Launch-Party lief sie mir zufällig über den Weg. Sie war tatsächlich Projektleiterin und lachte, als ich ihr erzählte, dass ích sie für eine Spionin gehalten hatte.«
Jakob Feigl, Bildchef

»Sommerferienjob in der Zentrale eines Möbelhauses. Ich machte alles, was irgendwie anfiel. Der neue Katalog sollte fotografiert werden. Ich putzte die Vitrinen der Kommoden für den Fotografen (Tipp: heisses Wasser mit Essig und Zeitungspapier zum Abwischen funktioniert super), bügelte die Bettwäsche, arrangierte die Kuscheltiere. Leider musste ich auch nach zwei Wochen Inventarliste der Möbelstücke machen. Ich hatte einen ganzen Ordner mit den Lieferbestellungen und Bestandslisten der einzelnen Filialen. Diesen Ordner musste ich immer wieder durchgehen. Ich bin sehr schlecht im Zählen und vor lauter Überforderung (und zu vielen Käsebrötchen am Mittag) nickte ich immer wieder ein. Die Strichliste wurde immer faseriger, ich versuchte mich mit kaltem Wasser auf den Handgelenken wieder bürofit zu machen. Klappte gut. Dachte ich zumindest. Dann musste ich die Zahlen zusammenfassen. Statt 100 Nachttischschen gab es in meiner Hochrechnung in der Zentrale dann 1000 Tischchen, die ich dann so weiterleitete. Am nächsten Tag dämmerte mir, dass diese Zahl vollkommener Quatsch sein ist, schnappte mir den Beleg, ging alles nochmal durch (schlief wieder ein). Anscheinend ist nichts aufgeflogen. Sie waren zufrieden mit mir. Zumindest wurde ein Naturholz-Bett nach mir benannt.«
Fiona Weber-Steinhaus, Textredakteurin