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Freizeit Mädchen, die aus Tüten ziehen

Es passierte diesen Sommer, als ich viel Zeit und wenig Geld hatte. Ich wollte meine Kleidung und Bücher verkaufen und klickte mich jeden Morgen durch Seiten wie Kleiderkreisel, Ebay, Blogs und blieb immer wieder in den Foren hängen, in der die Nutzer ihre persönlichen Probleme abseits des Stylings besprechen. Und so gelangte ich in die Welt der Hauls.

»Haul« heißt auf Englisch so viel wie Beute. Fischer ziehen ihren »Haul« aus dem Wasser, im Netz riesige Mengen an Fischen. Ein Shopping-Haul ist das Gleiche – nur, dass sich die Einkäuferinnen mit ihrem Fang vor die Kamera in ihrem Schlafzimmer setzen, eine prall gefüllte Tüte auf den Tisch wuchten und Sachen hervorziehen. Zum Beispiel ihre DM-Einkäufe. »Hi, meine Lieben« sagen sie dann, treten dann in eine Art inneren Monolog und ziehen in den zehn bis zwanzig-minütigen Videos ihre gekauften Dinge aus der Tasche. Sie klicken die Deckel auf, riechen am Duschgel, erörtern die Schwierigkeit von Sprühdeo und kochen DM-Spaghetti (»also die Dinkel-Spaghetti waren nicht so lecker, aber die Soße war schön würzig«).

Doch die Mädchen sind nicht nur eine Art pubertierendes Stiftung Warentest: sie geben zwar Tipps und bewerten die einzelnen Produkte (»das finde ich so super an DM, dass da kein Zucker und keine Hefe drinnen ist«, »den Nagellackentferner kann ich echt empfehlen, auch wenn er 1,39 kostet«), aber sie erzählen auch aus ihrem Leben (»Sorry, dass ich so lange nicht da war. Ich war körperlich krank, ist zu ’ner Nasennebenhöhlenentzündung geworden« oder »Das sind Brekkies für meine Katze. Meine Andere ist letzte Woche gestorben, das war voll traurig«).

Ich klickte mich durch immer mehr Videos, fasziniert von der Akribie, mit der alles, aber auch wirklich alles aus der Tüte gezogen und kommentiert wird: Taschentücher, Einwegrasierer, Feuchttücher (»mhh, die riechen nach Aloe Vera«), Kloreiniger und Sport-BHs.

Es wäre ziemlich einfach, sich über die Hauler lustig machen. Wie man hier sieht:

Doch die Hauls sind kein misslungener Versuch des 15 minutes of Fame with a Kloreiniger, der irgendwo in der Versenkung des Internet verschwindet: Die Videos werden tausendfach geklickt. Manche haben 50.000 Klicks generiert. Die Nutzer tauschen sich aus und alles ist sehr huhu-drückdich-voll lieb-mäßig. Ohne pöbelhafte Kommentare. Bei mir hatte es den gegenteiligen Effekt: Ich gehe seit der Haul-Entdeckung nicht mehr gern zu DM.