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Freizeit Das »Girls«-Problem

Freizeit: Das »Girls«-Problem

Die Serie «Girls« wird als Vorbild für junge Frauen gefeiert – doch sie hat ein Problem mit der Darstellung sexueller Gewalt.

Ich war letzte Woche bei der Premiere der dritten Girls-Staffel in London. Fast alle angereisten Journalistinnen schienen riesige Fans zu sein. Eine Frau erzählte der Süddeutschen Zeitung, dass sie eine Schreibblockade hatte – und diese mit einem Portrait über Lena Dunham wieder löste. Viele Journalisten sahen aus, als seien sie gerade aus dem Brooklyner Café »Grumpy’s« gestolpert, die Männer trugen Fliege und Hosenträger wie New Yorker Hipster, die Frauen Kleider wie die Figur Marnie. Als die Schauspielerinnen einzeln in die Gruppenräume geführt werden, betonten die Journalisten vor jeder Frage, wie »super great« die Serie sei. »Supergreat« seien auch die Sexszenen, die realistischer anmuten als weichgezeichnetes Liebemachen oder harter Pornosex – mit Schweiß, Bauchspeckrollen, Grunzen und verzerrten Gesichtern. Auch ich finde die Serie gut. Eigentlich. Bis ich gleich in der ersten Folge der dritten Staffel auf etwas stoße, das mich an dem Hype der Serie schwer zweifeln lässt: Der Umgang der zum Role Model der Frauen in den Mitzwanzigern erklärten Hannah mit der sexuellen Gewalt ihres Freundes Adam.

Die Hauptdarstellerin Hannah unterwarf sich schon immer den sexuellen Vorstellungen von Adam. Als er sagt, er würde sie gerne ohne ihr Einverständnis von hinten ficken. Oder dass er sich vorstellt, dass sie eine Elfjährige sei, die er nach Hause schicken muss, vollgespritzt mit seinem Sperma. Oder er sie in der Dusche anpinkelt. Trotzdem strebte Hannah danach, von ihm gemocht zu werden und schwieg, obwohl es aussah, dass sie seine Fantasien nicht teilte.

Mit seiner Ex-Affäre Natalia geht Adam nicht besser um: Adam ejakulierte gegen ihren Willen auf sie, forderte Oralsex ein. Irgendwie konnte ich das noch ertragen. Eine Serie darf schließlich schockieren, provozieren, es muss auch Charaktere geben, die moralisch und rechtlich falsch handeln, die unsympathisch und schrecklich sind. Das haben sich die Girls-Macher getraut. Und: Ich dachte, dass Adams Verhalten irgendwann hinterfragt wird, dass sein Verhalten ein Ansporn für Diskussion sein könnte – was ja durchaus auch gelang. Nach der Ausstrahlung der Folge diskutierten amerikanische Websites darüber, wo die Linie zwischen Vergewaltigung und dem beginnt, was rechtlich schwer nachzuweisen ist. Was ist das, wenn jemand mit dir in einer Weise Sex hatte, die nicht komplett erzwungen ist, sich aber falsch anfühlt. Die Autorin Amanda Hess schrieb damals ziemlich treffend dazu: »When you care even one bit about how your partner feels while you are actually having sex with them, it’s impossible to be so confused.«

Doch in der dritten Staffel wird es leider unerträglich. In der ersten Folge treffen Adam und Hannah die Ex-Affäre Natalia im Café. Natalia spricht Adam auf den Abend an, an dem er sie leckte, obwohl sie es nicht wollte und sie brutal von hinten fickte. Das schlimme ist: Sie wird dabei als Furie und Zicke portraitiert.

Natalia sagt zu Hannah: »You know that you have an off-the-wagon, Neanderthal sex-addict sociopath who’s gonna fuck you like he’s never met you and like he doesn’t love his own mother? Does he like to eat you out from behind? Does he bite your neck?«

Das Premierenpublikum lachte, als Natalia und ihre Freundin aus dem Café stürmten. Lena Dunham selbst sagte zu dieser Szene in einem Interview: »Als Hannah zuhört, weiß sie natürlich, dass Natalia Recht hat. Sie fragt sich, wie sie damit umgehen soll. Sie liebt Adam schließlich.«

Und hier liegt das Problem! Es sollte nicht nur um Hannahs Dilemma gehen. In einer Serie, die sich laut Regisseurin und Produzentin Lena Dunham, dazu verpflichtet fühlt, Frauen anders darzustellen, die einen Dialog über Feminismus iniitiieren will, müsste oder besser muss muss es Szenen geben in denen ein Mann, der sich scheiße und ekelhaft verhält – Adam – hinterfragt wird. Szenen, in denen er sein Verhalten bereut oder dafür zur Rechenschaft gezogen wird! Doch genau das passiert nicht.

Stattdessen wird genau die Szene, in der eine Frau mal anspricht, dass sie sich sexuell angegriffen gefühlt hat, für billige Witze genutzt. Und die Frau als hysterisch dargestellt. Willkommen in den Fünfzigern!

Foto: © HBO