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Freizeit Tanzen im Chaos

Freizeit: Tanzen im Chaos

Der amerikanische Fotograf David Degner lebt seit drei Jahren in Kairo. Mehrere Monate lang begleitete er die Gruppe Dawshageya – arabisch für »Die Krachmacher«. Dawshageya sind eine der neuesten Gruppen aus den Slums von Kairo. Gegründet vor einem Jahr und bereits berühmt in ganz Ägypten. Sie reiten auf der Erfolgswelle der größten alternativen Pop-Bewegung eines Landes, das im politischen Chaos versinkt. Die Musikrichtung, die seit der Revolution 2011 boomt, nennt sich »Mahraganat« – das arabische Wort für Festival – und klingt nach einer Mischung aus Elektro, R&B und Rap. Im Kurzinterview erzählt er, was er in der Zeit mit der Band erlebt hat.

Wann hast du zum ersten Mal von der Mahraganat-Musikbewegung gehört?
In Kairo ist die Musik eigentlich omnipräsent. Sie tönt aus den Tuk-Tuks, die durch die Straßen fahren und schallt aus Schischa-Cafés. Irgendwie hat mich die Musik fasziniert und ich wollte herausfinden, wer die Musiker dahinter sind.

Normalerweise fotografiere ich Politiker, Aktivisten, Leute die eine klare Agenda haben. Immer, wenn ich in das Viertel Matariya kam und Mahraganat gehört habe, hat mich das daran erinnert, dass es in Ägypten in all dem Chaos auch noch Menschen gibt, die einen Alltag haben und etwas ganz anderes machen. Etwas Gutes.

Wie hast du die Dawshageya-Jungs kennengelernt?
Kairo ist groß, aber die Mahraganat-Bewegung hat ihren Ursprung in Matariya. Vor etwa eineinhalb Jahren bin ich mit der Metro in ihr Viertel gefahren und habe die ersten Kids, die mir begegnet sind, gefragt, wer hier diese Musik hört. Es war eine Spurensuche. Sie haben mich ein paar Freunden vorgestellt, die gerade dabei waren, einen Song aufzunehmen. Dann haben mich die Musiker wieder anderen Musikern vorgestellt. Nach drei Monaten habe ich dann bemerkt, dass mich die Band Dawshageya am meisten interessiert.

Salsa & Sardena und Oka, Ortiga und Shehta – es gibt unterschiedliche Gruppen, die behaupten, sie hätten den Sound erfunden. Warum hast du ausgerechnet Dawshageya für deine Foto-Serie ausgewählt?
Dawshageya treten fast jede Woche auf Hochzeiten auf. Sie sind nicht politisch, sie wollen einfach nur Spaß habe. Außerdem haben mich die Jungs schnell an ihrem Leben teilhaben lassen und mich sogar angerufen, wenn sie irgendwie Probleme hatten. Wir wurden Freunde.

Auf wie vielen Hochzeiten warst du so?
Ich glaube, insgesamt waren es 15 oder 20. Die größte hat der Musiker Sardena veranstaltet. Hunderte Männer feierten in einer Gasse, sie zündeten Fackeln an, warfen kleinwüchsige Menschen durch die Luft, zogen Messer und schossen mit selbstgemachten Pistolen. Einer der Männer ist in ein fremdes Haus geklettert und hat Papierschnipsel auf die Masse geworfen, es war, als würde es schneien. Die Stimmung hat mich mitgerissen.

Du rappst sogar in einem Song von Sardena, wie kam es dazu?
Als ich Sardena in seinem Studio besucht habe, hat er mich überredet ein bisschen auf Englisch zu singen. Das ist mir schwerer gefallen, als ich erwartet habe, auch wenn die Stimme durch viele Filter geht.

Und was hörst du, wenn bei dir nicht gerade Mahraganat läuft?
Gerade finde ich äthiopischen Jazz ziemlich gut.