Die Farbe der Saison in der Ukraine ist Urban Camouflage. Das ist kein böser Witz. Auf der Ukraine Fashion Week im März verarbeiteten viele junge Designer »den Krieg vor unserer Tür und in unserem Herzen« und schickten die Models mit Tarnklamotten, Fliegerbrillen und kugelsicheren Westen auf den Laufsteg. Ein T-Shirt-Druck zeigte die umstrittene Politikerin Julija Tymoschenko mit geschlossenen Augen, goldenen Haaren und Gasmaske – ein seltsamer Mix aus Heiligenbildchen und Kriegspropaganda. Diese Militarisierung der Mode kann man nur seltsam finden, wenn man nicht daran glaubt, dass die Art und Weise, wie sich Menschen anziehen, viel mit der Welt zu tun hat, in der sie zu leben glauben. Die Mode ist die Message – auf dem Laufsteg und an der Front, wo auch immer die in diesem Augenblick genau verläuft.
Die Kämpfer / Aktivisten / Gangster, die in diesen Tagen in der Ostukraine viele Verwaltungsgebäude und Verkehrsknotenpunkte besetzt halten und den Anschluss an Russland fordern, wären auf der Fashion Week im pro-europäischen Kiew höchstens positiv aufgefallen: wegen ihres unbedingten Style-Willens. Mit den wilden Ski-Masken, den zerfetzten Uniformen und ihrem improvisierten Arsenal aus Baseballschlägern, alten Musketen und höchst modernen Leihgaben aus dem Hause Putin sehen sie aus wie die post-apokalyptischen Punks aus »Mad Max«, »Die Klapperschlage« und »Blade Runner«; die Filme wurden übrigens alle Anfang der 1980-erJahre produziert, am Siedepunkt eines anderen Ost-West-Konflikts.
Man muss diese Männer ernst nehmen. Gerade wegen ihres »Fuck the Future«-Outfits. Menschen, die keinen langfristigen Plan verfolgen, sind gefährlich.
Die Ad-hoc-Rüstungen der Pro-Putin-Miliz und der martialische Look (Mohawk, Glatze, Tattoos) sind natürlich eine Folge der zynischen Strategie, die wahren Hintermänner der sogenannten Proteste zu verschleiern. Die fehlenden Uniformen symbolisieren aber auch, dass man es hier nicht mit regulären Truppen zu tun hat, die dem Befehl ihres Offiziers folgen und sich der Genfer Konvention mehr oder weniger verpflichtet fühlen, sondern mit Truppen eines »neuen Krieges«, den der Politologe Herfried so beschrieben hat: »Dieser Konflikttyp entspricht so wenig der traditionellen Ordnung auf dem Schlachtfeld, dass die Grenzen zwischen Bürgerkrieg und Krieg, zwischen Krieg und Terrorismus fließend werden«. Der neue Krieg, so Münkler, verbinde technologische und archaische Elemente, auch die Grenzen zwischen Erwerbsleben und Gewaltanwendung werde immer dünner: »Der Krieg wird zur Lebensform.«
Diese neuen Krieger schwören keinen Eid und salutieren auch nicht mehr vor irgendeiner Fahne. Die Männer auf den Barrikaden tragen russisch-orthodoxe Ikonen ebenso bei sich wie asiatische Martial Arts-Elemente oder zitieren amerikanische Superhelden und Comicfiguren – eine Art popkultureller Anismus, der Mut und Stärke verleihen soll (schade, dass dieser globalisierte Bezugsrahmen nicht dazu führt, dass alle Beteiligten merken, wie unfassbar retro diese ganze Ost vs. West-Sache ist).
Aber auch die Barrikaden selbst, die Ansammlung aus Autowracks und Bauschutt, Stacheldraht und Sperrmüll, sehen aus, als hätte man sie vom Filmset von »Mad Max: Fury Road« geklaut, der 2015 in die Kinos kommt. Post-apokalyptische Filme sind eine Zuspitzung des Verteilungskampfes, Wasser, Benzin, Munition, alles knapp, alles überlebenswichtig. Es überrascht einen nicht, dass es auch im realen Ukrainekonflikt vor allem um fossile Brennstoffe geht. Die Straßensperren, brennenden Mülltonnen und toten Fensteraugen der besetzten Gebäude zeigen uns, dass wir es nicht länger mit einer geordneten Welt zu tun haben, in der jedes Objekt seinen Platz und sogar einen Barcode hat, und in der man im Notfall den Kundenservice anruft. In post-apokalyptischen Szenarien gilt das Motto: »anything goes«, in der Uniform-Mode, und auf dem Schlachtfeld.
Fotos: Reuters