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Politik 1 guter Mensch: Philipp Ruch, aggressiver Humanist

Politik: 1 guter Mensch: Philipp Ruch, aggressiver Humanist
Foto: Kay Nietfeld dpa / lbn

Wer ist das?
Philipp Ruch ist 33 Jahre alt, Politikwissenschaftler in Berlin und vielleicht der nächste Christoph Schlingensief. Seit ein paar Tagen ist er außerdem das größte Problem, das Familienministerin Manuela Schwesig aktuell hat. Und wurde deswegen ins Bundeskanzleramt eingeladen.

Was macht er?
Die Welt ein bisschen besser mit moderner, intelligenter, politischer Aktionskunst.

Wie macht er das?
2008 gründete Ruch das »Zentrum für politische Schönheit«, einen Think Tank für Aktionskunst und Menschenrechte. Das Zentrum beschreibt sich auf seiner Webseite als »Sturmtruppe zur Errichtung moralischer Schönheit, politischer Poesie und menschlicher Großgesinntheit, entsprungen aus den Lehren des Holocaust. Grundüberzeugung ist, dass das Gedenken des Holocaust durch die Wiederholung politischer Teilnahmslosigkeit, Flüchtlingsabwehr und Feigheit annulliert wird.« Die Aktionen des ZPS finden auf der Straße und im Netz parallel statt, und sie sind nicht nur akribisch recherchiert, sondern auch ästhetisch ziemlich anspruchsvoll. Ruch sagt er sei jemand, »bei dem in der Schule nichts schief gelaufen ist«: Er wolle verhindern, dass Deutschland historische Fehler wiederholt. Seine Ideologie sei »aggressiver Humanismus«, das bedeutet: Im Namen der Menschlichkeit geht Ruch auch dorthin, wo es weh tut.

Das ZPS setzt sich vor allem für die Rechte von Flüchtlingen und gegen Waffenexporte ein, zum Teil mit spektakulären Aktionen: 2012 fahndete die Gruppe in Berlin mit riesigen Plakaten nach den Gesellschaftern des Rüstungsherstellers Krauss Maffei. Auf ihrer Webseite veröffentlichten sie die Namen der Anteilshaber und die Biografien der Gesellschafter – Hintergrund war die geplante Lieferung von 200 Panzern an das Regime in Saudi Arabien, den die Bundesregierung genehmigen wollte. Für viele überraschend war, dass einige prominente Künstler und Alt-68er an KraussMaffei beteiligt sind. Schließlich wurde der Deal unter dem anhaltenden Druck der Öffentlichkeit abgesagt.

Und was ist mit der Schwesig?
Mit seiner neusten Aktion sorgt das ZPS wieder für Aufmerksamkeit. Vor Kurzem wurde der Link zu einerSeite verbreitet, mit der angeblich das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugendliche einen Kindertransport für 55.000 syrische Flüchtlingskinder organisieren will. Nach Vorbild der englischen Kindertransporte, durch die während des 2. Weltkrieges zehntausend jüdische Kinder aus Deutschland gerettet wurden, sucht Familienministerin Manuela Schwesig laut Webseite nach »erziehungserfahrenen und belastbaren Paaren«, die Kinder aufnehmen können. Man kann sich Bewerbungsformulare herunterladen, Infostände sollen bald folgen. Auf der Webseite sieht man hoffnungsvoll blickende syrische Kinder, die Plakate mit dem Gesicht der Familienministerin in den Händen halten. Ruch sagt, die ersten Freiwilligen hätten sich schon gemeldet. Nur, dass sie am Ende nichts tun können: Denn die Webseite ist ein Fake. Ein Fake, der für Schwesig sehr unangenehm werden könnte, weil er sie dazu zwingt, öffentlich zu erklären, dass die Bundesregierung überhaupt nicht vorhat, syrischen Kindern zu helfen. Bislang gibt es keine Pläne, außer zehntausend der weltweit vier Millionen syrischen Flüchtlinge aufzunehmen.

Jetzt sollen die Mitglieder des ZPS im Kanzleramt vorstellig werden. Gerade gibt es vielleicht für ein paar syrische Flüchtlinge etwas mehr Hoffnung.