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Freizeit Zukunft und Vergangenheit des Rauchens

Freizeit: Zukunft und Vergangenheit des Rauchens
Ich höre mit dem Rauchen auf.

Seit ein paar Tagen schleppe ich mich mit einem schweren inneren Konflikt durch die Gegend. Tatsächlich befinde ich mich in einer tragischen Situation. Tragik heißt: Man muss sich entscheiden, und es ist ganz gleich, welche Entscheidung man trifft, sie führt so oder so ins Unglück. Der innere Konflikt, um den es hier geht, betrifft das Rauchen.

Ich rauche. Mir bieten sich, die Zukunft meines Rauchertums betreffend, derzeit drei Optionen.

  1. Ich rauche weiter.
  2. Ich kaufe mir eine elektronische Zigarette.

Jede dieser Optionen führt ins Unglück.

Die Barbaren unter Euch werden sofort sagen, dass das Quatsch sei. Sie werden sagen: Hier ist nur eine Option richtig, Alard, und zwar hörst du mit dem Rauchen auf.

Das ist einfach nur Unsinn. Es muss an dieser Stelle also zunächst einmal eine Lanze für das Rauchen gebrochen werden. Rauchen wird immens unterschätzt. Zigaretten sind fabelhaft.

Fangen wir ganz unten an. Zigaretten sind immer für dich da. Sie sind der treueste Freund. Selbst wenn du ganz traurig bist, darfst du (als Raucher) immer noch rauchen. Robert Musil, österreichischer Großschriftsteller, hat in sein Tagebuch notiert: »Ich behandle das Leben als etwas Unangenehmes, über das man durch Rauchen hinwegkommen kann! (Ich lebe, um zu rauchen!).« Jeder Raucher wird das sofort verstehen.

Zweitens ist Rauchen nicht nur etwas für Traurige, sondern es ist etwas für wunderbare Momente. Es ist ein großartiger Genuss. Oder kann einer sein. Auch hier wieder ein Großschriftsteller zum Zeugen. In Thomas Manns Zauberberg sagt Hans Castorp sehr schön: »Ich verstehe es nicht, wie jemand nicht rauchen kann – er bringt sich doch, sozusagen, um des Lebens bestes Teil und jedenfalls um ein ganz eminentes Vergnügen! Wenn ich aufwache, so freue ich mich, daß ich tagsüber werde rauchen dürfen, und wenn ich esse, so freue ich mich wieder darauf, ja ich kann sagen, dass ich eigentlich bloß esse, um rauchen zu können, wenn ich damit natürlich auch etwas übertreibe. Aber ein Tag ohne Tabak, das wäre für mich der Gipfel der Schalheit, ein vollständig öder und reizloser Tag, und wenn ich mir morgens sagen müßte: heut gibt’s nichts zu rauchen – ich glaube, ich fände den Mut gar nicht, aufzustehen, wahrhaftig, ich bliebe liegen.«

Die Zigarette zum Schnaps. Die Zigarette zum Kaffee. Die Zigarette nach einem guten Essen. Die Zigarette zum guten Gedanken, wenn die Asche auf das Blatt Papier fällt. Zigarette im Klub, Zigarette nach getaner Arbeit. Rauchen ist einfach nur toll, vor allem dann, wenn man es versteht, wenn man also nicht gleich im Bett die Erste anzündet, sondern richtig gut und elegant rauchen kann. Nicht wie ein Süchtiger, sondern wie ein Genießer.

Dann übrigens, und wer anderes behauptet, ist falsch herum gebrainwashed, sieht Rauchen auch einfach nur top aus. Wer gut rauchen kann, sieht doppelt so gut aus wie ohne Kippe.

Für meine Begriffe gibt es nur zwei Dinge, die gegen das Rauchen sprechen. Erstens stinkt es. Zweitens killt einen Rauchen krass. Man kriegt davon Krebs und muss jämmerlich verrecken. Sterben müssen wir zwar alle, aber Lungenkrebs finde ich eine sehr schlimme Vorstellung vom Sterben. Es muss einem übrigens auch niemand erzählen, dass die eine Großtante mit 102 gestorben ist und Kettenraucherin war. Dann hat die einfach Glück gehabt. Es ist wissenschaftlich einwandfrei, niet- und nagelfest bewiesen, dass Rauchen einen erst süchtig macht und dann umbringt.

Das ist schade, aber wahr. Deswegen weiß ich auch, dass ich aufhören sollte. Ich rauche bisweilen sehr blöd, also viel zu viel und junkiemäßig, und dann sieht man übrigens auch immer mies aus, dann sieht man eben aus wie diese Leute, die im Winter zitternd auf dem Balkon stehen, um sich Dreck in die Lungen zu pfeifen.

Also. Rauchen aufhören schlimm.

Weiterrauchen auch schlimm.

Bleibt die elektronische Zigarette. Auch nicht nur gesund. Aber nach bisherigem Kenntnisstand bei Weitem besser als die normale Zigarette. Ich dachte gestern total zufrieden, dass ich mir so ein Ding anschaffen werde. Denn ich dachte zunächst, das sei eine fabelhafte Erfindung.

Es leuchtet mir zunächst einmal insgesamt nicht ein, wieso wir im 21. Jahrhundert rauchen sollten, ohne Strom zu verbrauchen. Wenn etwas elektronisch geht oder analog, bin ich immer für elektronisch. Die E-Zigarette verhält sich zur normalen Kippe wie die Glühbirne zum offenen Feuer, oder wie ein Rennwagen zu einem Esel. Ihr gehört die Zukunft, zumindest aus ästhetischer Betrachtung des Geräts an sich sind normale Raucher ewig Gestrige (und gestrig sein ist ästhetisch nie klug, nie, was nicht heißt, dass man alle Moden mitmachen soll, aber wirklich, gestrig ≠ ästhetisch). Die E-Zigaretten waren zwar noch nicht erfunden, als diese spezifische Zukunft erdacht wurde, aber ich glaube, alle Leute in Taffy Lewis’ Bar in »Blade Runner« rauchen E-Zigaretten, und das ist doch die eine Bar, in die man unbedingt einmal gehen will. E-Zigaretten-Bar, Zukunftsbar.

Freizeit: Zukunft und Vergangenheit des Rauchens

Das beste an E-Zigaretten ist übrigens die kleine Leuchtdiode, die angeht, wenn man auf die Rauchtaste drückt. Ein Neon-Licht im Dampf, Steampunk. Ich finde Blau und Grün am gelungensten, Rot geht auch noch. Aber wer E-Zigarette ohne Leuchtdiode raucht, hat etwas fundamental falsch verstanden. Die Leucht-Dioden sind es, die aus dem E-Zigarettenraucher einen Zukunftsmenschen machen, der mit Marty McFly-Nikes rumläuft statt mit an den Füßen verrottenden Chucks.

Also E-Zigarette, dachte ich. Lösung gefunden. Nein. Doch nicht. Große Enttäuschung. Schmeckt nicht. Man muss die Dinger betanken, mit widerlichen Geschmacksrichtungen, Liquide genannt, Liekviede, mit Namen wie Himki Lutscher oder Kirsch-Banane. Ich will rauchen, Tobak, ich will keinen Lutscher oder Kinder-/Hippiesaft. Ich will diese Fläschchen nirgends rumstehen haben, geschweige denn dabei. Das Gerät ist ein ästhetischer Gewinn, der Zwang, es zu befüllen, gewissermaßen zu verwalten, abends aufzuladen wie ein Handy, ein immenser Verlust gegenüber der Zigarette. Die Vorstellung, abends vor der Steckdose zu knien, um meine Zigarette aufzuladen, finde ich abschreckend. Ich würde mich vor mir selbst schämen in dem Moment, unter Beobachtung gelänge es mir gar nicht.

Derzeit sieht es tatsächlich so aus, als müsste ich mit dem Rauchen aufhören. Ich bin deswegen sehr traurig.