Freitag
08:30 Uhr
Guten Morgen!
Hotelzimmer mit Ausblick hieß es.
Joa. Eine Aussicht hat es.
Ich bin seit Mittwoch in Perpignan – ein kleines Städtchen in Südfrankreich.
Vorsicht – nicht »Sur le pont D’Avignon« – sondern Perpignan.
Aber hier gibt es anscheinend auch ne Brücke.
Jährlich kommen hier Reportage-Fotografen und Bildredakteure aus der ganzen Welt zum »meet and greet« zusammen.
Da meine Jobbezeichnung des Öfteren für Verwirrung sorgt: Bildredakteure arbeiten nicht bei der BILD, sondern kümmern sich um Fotos und Illustrationen. Wir finden sie, kaufen sie oder lassen sie produzieren (so ganz knapp zusammengefasst).
09:35 Uhr
Packe meine Sachen und ziehe los. Ich habe Treffen mit sieben Fotografen ausgemacht, deren Portfolios ich mir ansehen möchte.
Aber erst mal sehe ich nichts – außer meines Handys,
weil ich mich ständig verlaufe.
Ich bin seit Mittwoch hier und jede Straße des kleinen Ortes schon zweimal entlang gegangen. Aber das interessiert meinen Orientierungssinn nicht. Daher brauche ich statt sechs Minuten, zu meinem ersten Anlaufpunkt des Tages – zum »Palais de Congres« – sage und schreibe zwanzig Minuten.
Trotz Handy.
09:55 Uhr
Ich komme tatsächlich am Palais des Congres an.
Erste Challenge des Tages: bestanden.
Jetzt geht’s los: Business time. Rock gerade rücken, Schweiß von der Stirn wischen und von anderen Körperteilen (es hat jetzt schon 27 Grad)
und rauf aufs Dach.
Dort ist ein Café, in dem sich Fotografen und Redakteure tummeln.
Ich habe, wie gesagt, sieben Treffen ausgemacht. Am Ende werden es 19 Fotografen sein, deren Mappen ich mir angesehen habe…
Sobald ein Fotograf fertig ist, setzt sich schon der/die Nächste neben mich »Hello – do you have time for another appointment?«
Notiz an mich: muss lernen »Nein« zu sagen.
16:22 Uhr
Schaffe es, mich loszureißen und schaue bei den Foto-Agenturen ein paar Stockwerke weiter unten vorbei.
Bildagenturen sind die Homies der Bildredakteure. Man arbeitet fast täglich mit ihnen zusammen und recherchiert auf ihren Seiten die Bilder zum Tagesgeschehen. Oder zu welchem Thema man gerade eben recherchiert.
Ich laufe weiter durchs Haus und erspähe ein Schild – WLAN – 2. Stock im Press Room. Hurra – Internet!
Wundere mich darüber, wie man es schafft, dass das WLAN tatsächlich im WLAN-Zimmer bleibt. Denn sobald man aus der Tür tritt, ist das Signal vorbei. Die Füchse.
17:50 Uhr
Ich hau mich im Hotel aufs Ohr.
20:30 Uhr
Wieder on the road und ha! Schon wieder verlaufen! Wer hätte es gedacht.
20:45 Uhr
Komme dann doch auf der Ausstellung (Party) von der Berliner Agentur Ostkreuz und Picturetank an.
Nett, nett, nett. Kann man einfach nicht anders sagen.
Die Veranstaltung ist in einer Privatwohnung mit Garten, wo großartige Arbeiten projiziert werden.
Es gibt Wein. Viel Wein.
23:35 Uhr
Mein lieber Kollege vom VIVA Magazin nimmt mich noch mit auf einen letzten Absacker ins »Café de la Poste«.
Hier trifft sich jeden Abend die ganze Fotofestival-»Bagage«, wie man als Bayer so schön sagt.
Es gibt mehrere Absacker und mein Kopf fühlt sich so leer an, wie mein Glas.
00:58 Uhr
… merveilleux
Samstag
10:00 Uhr (und zwar Punkt 10 Uhr!)
Café de la Poste. Nicht immer noch, sondern schon wieder und zwar, um weitere Fotografen und Agenturen zu treffen.
Natand Dvir (der Fotograf, dessen Portfolio ich mir gerade anschaue) kennt sich mit Katern in Perpignan aus und bestellt mir den Käse-Toast.
Er meint, der wirkt Wunder. Er behält Recht.
14:?? irgendwas Uhr
Ich laufe durch die Stadt, um mir Ausstellungen anzuschauen.
Verlaufe mich wieder und renne in einen Tiger.
15:15 Uhr
Im »Couvent des Mimes« gibt es großartige Ausstellungen.
In Perpignan geht es um Foto-Reportagen und zwar um die »harten«.
Das heißt, es geht um Krieg, Krankheit, Tod und Trauer.
16:35 Uhr
Ich esse das schlechteste Stück Pizza ever.
Ja okay – man hätte es vom Aussehen erahnen können.
Trotzdem esse ich es auf, weil ich davor zu viele Fotos von Armut gesehen hab.
Ah. Das schauen sich also Touristen in Perpignan an, die nicht wegen dem Festival hier sind. Im Moment gibt’s da, glaube ich, keine.
Der Ort platzt vor lauter Foto-Fans.
21:30 Uhr
Geht es, wie auch schon am Mittwoch, zu einer Projektion auf den Campo Santo.
Es werden Preise an Fotografen vergeben und Reportagen gezeigt.
Alles auf Französisch – ohne Untertitel.
Ich bin froh, dass ich in der Realschule den Französisch-/Mathekurs belegt habe und jetzt tatsächlich ein paar Brocken verstehe.
Wieder geht es um die schlimmsten Themen, die die Welt zu bieten hat.
Von Mord bis Monsanto.
Dazwischen kommen Fotos von der WM. Die Menge jubelt kurz auf. Seltsam.
23:25 Uhr
Die Projektion ist vorbei und ich treffe ein paar Perpignaner, die mich bitten, sie auf eine Party einzuschleusen, auf die man nur mit Festival-Ticket kommt. Ich hab so eins und nehme sie mit.
Es wird getanzt und getrunken und darüber diskutiert, ob es jetzt okay ist, zu tanzen und zu trinken, nachdem man zwei Stunden das Elend der Welt gesehen hat. Naja. So ganz komme ich, ehrlich gesagt, nicht in Stimmung.
01:25 Uhr
Ich bin Party-Pooper und gehe nach Haus.
Mein TV im Hotel geht nicht, darum spiele ich noch eine Runde Shanghai Lite. Schneide grauenhaft ab.
Sonntag
10:00 Uhr
Ich packe meine Ausbeute zusammen. 46 Visitenkarten. Top!
10:45 Uhr
Die Heimreise beginnt.
Es ist bewölkt, was es mir einfacher macht, wieder in den kalten Norden heimzukehren.
Erstes Ziel der Etappe: Barcelona.
Im Zug neben mir sitzt leider jemand, der etwas gegessen hat,
dass schon sehr lange tot war.
Da der Zug ausgebucht ist, atme ich die 1,5 Std sehr flach und genieße die schöne Aussicht.
12:31 Uhr
In Barcelona Sants angekommen, habe ich exakt acht Minuten Zeit,
um die Sprachwahl am Ticketschalter zu verstellen, ein Ticket zu ziehen, das Gleis zu finden und einzusteigen.
12.39 Uhr
Geschafft! Ich bin sehr stolz auf mich.
13:00 Uhr
Am Aeroport Barcelona angekommen, verabschiede ich mich von der Wärme.
13:32 Uhr
Am Check-in warte ich über 30 Minuten und höre, wie sich die Damen hinter mir über das Hamburger Phänomen »Deine Mudder« unterhalten. Angefacht wurde die Diskussion durch die Tasche des Mädchens vor uns.
»Muss man denn jetzt wirklich Mütter verarschen? Es hat doch jeder eine Mutter.«
Die Zweite: »Nein, nein. Die meinen das, glaube ich, nicht böse.«
14:45 Uhr
Im Flugzeug verfalle ich sofort in einen Tiefschlaf.
Ich werde nur aufgeweckt von
– dem Hintern der Stewardess, der mir ins Gesicht gedrückt wird, wegen dem/den
a, Snack für »Smart-Bucher«
b, Snack zum Zahlen für die »Nicht-Smart-Bucher«
c, Board-Shopping
– Wassertropfen aus dem Handgepäck-Fach, der mir ins Gesicht tropft
– zwei Luftlöchern vor Hamburg, bei denen alle »Uh« rufen. Ich auch.
18:00 Uhr
Hamburg. Perle. Da bin ich wieder.
Es ist kalt.
19:45 Uhr
Treffe die liebe Kollegin Nora aus der Textredaktion zufällig an der
U-Bahn und wir gehen noch was essen.
Ich war drei Tage nicht in der Redaktion. Da gibt es viel zu Plaudern.
22:25 Uhr
Gute Nacht.
