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Politik »Es ärgert mich, wenn der Zuschauer belogen wird«

Politik: »Es ärgert mich, wenn der Zuschauer belogen wird«
»Walulis sieht fern« läuft jeden zweiten Dienstag um 20.15 Uhr auf EinsPlus und jederzeit in der EinsPlus-Mediathek.

Philipp Walulis demontiert in seiner Comedy-Sendung »Walulis sieht fern« Fernsehformate wie den Wetterbericht, Kuppelsendungen oder Kochshows. Ebenso unterhaltend wie entlarvend. 2012 wurde er dafür mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Im Interview erklärt er, wieso ihn Reichtumselixiere nerven und was Alf mit seiner Karriere zu tun hat.

Du nimmst in deiner Sendung »Walulis sieht fern« verschiedene Fernsehformate auseinander wie »Astro TV« oder »Joko gegen Klaas«. Ist das deutsche Fernsehen wirklich so furchtbar?

Schon. Im deutschen Fernsehen schwimmt die Scheiße immer noch oben. Niveaulosigkeit und Langeweile dominieren, vor allem im Programm vor 20.15 Uhr. Schaltet man vormittags den Fernseher an, zeigt das Öffentlich-Rechtliche wahrscheinlich ein Servicemagazin mit alten Beiträgen, bei den Privaten läuft eine Talkshow, die schon längst abgesetzt wurde. Ich kann verstehen, dass man da die Fernbedienung in die Ecke schmeißen will.

Du hast früher wahrscheinlich ziemlich viel ferngesehen, oder?

Ja, auch wenn wir zuhause nur drei Programme hatten. Du musst wissen, ich bin auf dem Land groß geworden, in Pöcking, in Oberbayern. Da war das Fernsehen ein Mittel gegen Langeweile. Ich bin zum Beispiel damals wie ein Wahnsinniger durch den Ort gelaufen, um »ALF« ja nicht zu verpassen.

Die Komik von »Walulis sieht fern« entsteht vor allem dadurch, dass ihr ziemlich genau die Sendungen nachspielt und dadurch entlarvt. Wie bist du auf die Idee gekommen?

Die meiste Zeit meines Studiums in München habe ich damit verbracht, Seminararbeiten vor mir herzuschieben. Ich habe die Wohnung geputzt, dann die »Simpsons« geschaut und bevor ich ausschalten konnte, kam schon »Galileo«. Irgendwann ist mir aufgefallen, dass alle Sendungen nach dem gleichen Schema funktionieren. Ich habe mir dann zum Spaß überlegt, wie die Beiträge weitergehen. Und meistens hatte ich Recht.

Ihr könntet ja auch einfach die Sendungen verarschen, so wie die »Heute Show« oder »Switch« oder »RTL Samstag Nacht«.

Dieses Analytische ist eine sehr deutsche Haltung, ich fühle mich manchmal wie eine Art Fernsehingenieur, der die Sachen zerlegt. Aber ich mache das auch aus Selbstschutz: Wenn ich mir drei Tage lang das RTL-Nachmittagsprogramm gebe und die fünfte Folge »Die Schulermittler« anschaue, dann nimmt es der Sache einfach den Schrecken, wenn ich mich auf technische Details konzentriere.

Willst du mit deiner Sendung das deutsche Fernsehen verbessern?

So leid es mir tut, hinter der Sendung steckt keine pädagogisch-gesellschaftsverbessernde Überlegung. Wir wollen mit der Sendung unterhalten. Unser Motto lautet ja: »Fernsehen macht blöd, aber auch unglaublich viel Spaß.« Da ich aber kein Freund plumper Schenkelklopfer-Unterhaltung bin, ist diese komplexere Form dabei entstanden. Natürlich ist es schön, wenn der Zuschauer sich nicht nur unterhalten fühlt, sondern erkennt, dass viele Sendungen relativ trivial aufgebaut sind: Die meisten ARD-Shows sind ja eine wiederkehrende Ansammlung von Quiz-Elementen, lustigen Einspielern, prominenten Gästen und überkandidelter Studiodekoration.

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Was würdest du den öffentlich-rechtlichen Anstalten raten?

Die Verwaltung sprengen. Öffentlich-rechtliches Fernsehen ist viel zu viel Bürokratie, das muss alles weg. An einer Verwaltung hängen so viele Vorschriften und eben die Gefahr, dass eine Person auf Ebene 3 einen Fehler macht und die Person auf Ebene 4 die Person auf Ebene 3 endlich loswerden kann. Das lähmt den kreativen Prozess und verhindert Innovationen.

Gibt es überhaupt Innovationen im deutschen Fernsehen?

Im Hauptprogramm gilt es fast als innovativ, anstelle eines blauen Sofas ein rotes zu zeigen. Richtig neue Ideen setzen sich dort nicht durch, weil die Masse angesprochen werden soll. Innovativ finde ich Formate wie zum Beispiel »Kessler ist…« auf ZDFNeo, auch wenn das Format ursprünglich aus Schweden stammt.

»Kessler ist…« ist doch auch nur ein weiteres Interviewformat. Was ist daran neu?

Dass sich ein Gastgeber auf seinen Interviewgast vorbereitet, ist normal. Doch Michael Kessler versetzt sich nicht nur in seinen Gast hinein, er wird zu ihm. Anstatt der üblichen Anekdoten-Abfragerei befragt hier der prominente Gast seine Kopie. Die Antworten, die Michael Kessler dem Promi gibt und wie dieser auf dieses psychologische Experiment reagiert, gibt einem Einblicke, die man in einer normalen Talkshow nicht bekommt. Der Promi erforscht das Bild, wie er in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Der Zuschauer kann an diesem Moment teilhaben.

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Digitale Sender wie ZDFNeo oder EinsPlus, wo auch deine Sendung läuft, sollen eine junge Zielgruppe ansprechen. 87 Prozent der Unter-Dreißigjährigen schauen Fernsehen im Internet. Was sagt das über die Zukunft des Fernsehens aus?

Ich glaube das Medium Fernsehen – der Flimmerkasten im Wohnzimmer – wird ziemlich bald aussterben. Viele junge Leute schalten nicht mehr um 20.15 Uhr ein. Aber ich sehe Fernsehen als Ort, an dem Menschen Geschichten erzählen – und diese Inhalte haben weiterhin eine große Zukunft. Leute wie Y-Titty oder ApeCrime, die sich Youtube-Videos ausdenken, wollen auch nichts weiter als ihre Inhalte anderen näher bringen. Das ist auch Fernsehen.

Was ist dann noch der Vorteil des Mediums Fernsehen?

Der Vorteil am klassischen Fernsehen ist, dass schon jemand etwas für dich zusammengestellt hat. Du musst dir also nicht selbst deine Informationen zusammensuchen. Fernsehen ist vielfältig, ob als Informationsmedium oder auch zum Abschalten, zum Mitkochen oder zum Einkaufen – zumindest, wenn es gut gemacht ist und sich nicht alles wiederholt.

Sind Wiederholungen denn gleichzusetzen mit schlechtem Fernsehen?

Das kann man so oder so sehen. Die Wiederholung kann durchaus Freude machen, weil sie klischeehaft ist und gleichzeitig irgendwie vertraut. Und wir freuen uns natürlich allein deshalb über Wiederholungen, weil sie uns genug Material für unsere Sendung liefern. RTL 2, an dieser Stellen vielen Dank!

Es gibt ja viele schlechte Sendungen, aber gibt es etwas, dass dich wirklich nervt?

Was mich wirklich ärgert, ist, wenn Zuschauer belogen werden. »AstroTV« bietet zum Beispiel ein Reichtums-Elixier an, das man auf seine Kontoauszüge sprüht und damit reich werden soll. Das kaufen dann hilflose Menschen für 100 Euro, weil sie wahrscheinlich dringend das Geld brauchen.

Und was magst du?

Ich mag »Quer« vom Bayrischen Rundfunk – ein investigativ kritisches Magazin, das Konzept der Arte-Interview-Sendung »Durch die Nacht mit…«, die Comedysendung »Pastewka« und den »Polizeiruf« mit Matthias Brandt.

Wann habt ihr geplant, die Sendung »Walulis sieht fern« selbstreferenziell auseinander zu nehmen?

Diesen Gedanken tragen wir seit der zweiten Staffel mit uns herum. Allerdings sollten wir noch ein bisschen warten, bis die nötige Fallhöhe zur Demontage der Sendung erreicht ist. Also vielleicht noch bis 2023.

Fotos: SWR/afk.tv