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Wissen »Feminismus muss in den Mainstream«

Wissen: Tatjana Turanskyj und Katinka Feistl
Tatjana Turanskyj und Katinka Feistl
Die Regisseurinnen Katinka Feistl und Tatjana Turanskyj haben den Verein »Pro Quote Regie e.V.« gegründet. Die Initative setzt sich für die Gleichberechtigung von Filmemacherinnen ein. Im Interview erklären sie, warum die Quote dem deutschen Film gut tut.

Katinka Feistl hat die Ellenbogen auf dem Tisch abgelegt, ihr Handy liegt griffbereit. Obwohl sie lächelt, spürt man die Anspannung der letzten Wochen. Hinter ihr liegt nicht nur sehr viel Arbeit, sie hat auch noch viel vor sich. Seit über einem Jahr bereitet sie sich nun mit ihren Regiekolleginnen vor. Denn Feistl ist die Vorsitzende von »Pro Quote Regie e.V.«, einem Verein, der sich für die Gleichberechtigung von Regisseurinnen einsetzt. Und morgen findet die Pressekonferenz statt, mit der sie ihr Vorhaben in Gang setzen will.

Auch Tatjana Turanskyj – Regisseurin und »Pro Quote«-Gründerin – betritt das Berliner Café, in dem wir uns verabredet haben. Sie kommt auf Feistl zu, die beiden umarmen sich und müssen auch gleich noch was besprechen. Anscheinend hat das Kino Arsenal, dort soll die Pressekonferenz stattfinden, nicht den richtigen Beamer. Aufregung. Dann wieder Konzentration. Da gibt es schließlich ein Interview, das geführt werden muss.

In den Filmen der beiden Regisseurinnen stehen immer wieder Frauen im Mittelpunkt. Feistl’s Debüt »Bin ich sexy?« etwa erzählt die Geschichte einer jungen Frau mit Übergewicht. Turanskyj hat ihre eigene Produktionsfirma gegründet und gerade ihren Film »Top Girl« herausgebracht. Mit ihren Stoffen sind die zwei aber vor allem im Arthouse-Bereich unterwegs, nicht im Mainstream. Deshalb liegt auch die Vermutung nahe, dass mit der Quote vermehrt weibliche Lebenswelten im Kino gezeigt werden sollen.

Turanskyj: »Pro Quote« interessiert sich erst einmal dafür, dass genauso viele Frauen wie Männer Regie führen. Frauen haben aber schon einen anderen Blick auf die Welt als Männer, doch wie die Filme dann inhaltlich aussehen werden, das können wir jetzt noch nicht sagen.

Feistl: Wenn die Lebenswelten von Frauen durch die Quote aber anders dargestellt werden, freuen wir uns natürlich. Es gibt eine UN-Studie zum Thema Darstellung von Frauen in Filmen. In Deutschland ziehen sich immer noch 39,2 % der Frauenrollen aus, haben aber keine wirklichen Sprechrollen. Das ist kein Abbild unserer Lebenswelt.

Katinka Feistl erfuhr vor zwei Jahren aus dem Magazin »Black-Box« von dem Missverhältnis bei der Verteilung von Fördergeldern durch den Deutschen Filmförderfonds (DFFF). Dort war zu lesen, dass 2013 von 62,5 Millionen Euro Fördergeldern 56 Millionen an Regisseure und nur 6 Millionen an Regisseurinnen gingen. Eigene Recherchen von »Pro Quote« ergaben dann, dass auch nur 15 % aller Aufträge für Fernsehfilme an Frauen vergeben werden. Die Filmförderungsanstalt (FFA) begründet dies damit, dass sich einfach nicht genug Frauen für Förderprojekte bewerben würden.

Feistl: Wir wissen weder wie viele Frauen sich bewerben, noch an welcher Stelle sie durchfallen. Sind es die Stoffe? Finden Sie keinen Produzenten? Keinen Verleih? Denn das alles braucht man im Vorfeld für einen Fördermittelantrag.

Turanskyj: Es gibt aber genug Frauen. 42% der Hochschulabsolventen sind Frauen. Der erste Film wird auch gefördert, denn es ist ein Abschlussfilm. Danach scheint es aber ein schwarzes Loch zu geben, in dem die Regisseurinnen verschwinden. Deshalb ist eine unserer Hauptforderungen – neben der Quote – eine Studie herauszubringen, welche die Gründe für dieses Verschwindens erforscht.

Wissen: Der Kern von »Pro Quote Regie e.V.«
Der Kern von »Pro Quote Regie e.V.«

Doch gerade bei der FFA sitzen noch immer viele Männer in den Fördergremien. Deshalb fordert »Pro Quote« genau drei Dinge: Die erwähnte Studie. Eine gleichmäßige Besetzung der Fördergremien durch Männern und Frauen. Und eine Quote. Bis 2024 sollen 50% der geförderten Filme von Frauen inszeniert werden. Aus diesem Grund haben »Pro Quote« Briefe an die Intendanten und Gremienvorsitzenden von ARD und ZDF, an die Leitungen der Filmförderungen in Bund und Ländern sowie an die für Kultur zuständigen Ministerien geschrieben. Erste Gespräche haben bereits stattgefunden.

Feistl: Es soll kein Sündenbock gesucht werden. Wir wollen ganz einfach im Dialog ein Bewusstsein für das Problem schaffen. Weder haben allein die Männer, die Sender oder die Filmförderungen Schuld daran, dass die Regisseurinnen nicht zum Zug kommen. Frauen werden generell in unserer Gesellschaft diskriminiert, und zwar meistens unbewusst.

Turanskyj: Es wird eben vor allem der Mainstream bedient. Und der Mainstream wird – auch unbewusst – mit männlichen Regisseuren konnotiert. Frauen drehen öfter Filme im Arthouse-Bereich. Deshalb wird auch weniger PR für ihre Filme gemacht und sie verkaufen viel weniger Eintrittskarten. Wir müssen den Feminismus in den Mainstream bringen. Das stärkt den Wettbewerb und demokratisiert den Film.

Um das durchzusetzen, haben Feistl und ihre Mitstreiterinnen 200 UnterstützerInnen aus der Filmbranche gewonnen. Zum Beispiel die Schauspielerin Annette Frier (»Danni Lowinski«) und die Regisseurin Isabell Suba (»Männer zeigen Filme, Frauen ihre Brüste«). Beide schicken »Pro Quote« zur Pressekonferenz am nächsten Tag eine Videobotschaft – der Beamer funktioniert dann doch noch. Suba schaut sich in ihrer Botschaft die Top 250 der besten Regisseure auf IMDb an und findet erst auf Platz 191 eine Frau (Kátia Lund). »Ich wünsche mir, dass auf dieser Liste in 20 Jahren mindestns 30% Frauen stehen «, meint Suba.

»Pro Quote Regie« trifft einen Nerv, denn auch unter den Vertretern der Presse befinden sich Regisseurinnen, die von Diskriminierungen berichten können. »Ich vergebe keine Filme an Frauen, Frauen machen die schlechteren Filme«, wurde einer Regisseurin die Absage eines TV-Senders erklärt. »Und genau darüber müssen wir reden. Das ist nichts, was wir von jetzt auf gleich ändern. An der Quote müssen wir zusammen arbeiten«, sagt Feistl.

Fotos: Christine Stöckel, Pro Quote Regie