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Freizeit »Ich zweifle an der großen Liebe«

Freizeit: »Ich zweifle an der großen Liebe«
Zach Braff ist so ein Typ, der in Beziehungen immer als Erster mit »Ich liebe dich« herausplatzt.

Foto: Chance Yeh

Zwei Menschen in Müllbeuteln, die sich im ­Regen küssen und nichts gegen den Gefühls- und Gewittersturm tun können – sie sind für­einander bestimmt. Als ich 2004 deinen Film »Garden State« gesehen habe, prägte das meine romantische Vorstellung von Liebe.
Haha, großartig! Auf meiner Europareise haben mir einige Paare erzählt, dass der Film sie zusammengebracht hat. Einige hatten sich im Kino zum ersten Date verabredet. Und ein Typ erzählte mir, dass er seine Freundin nur kennengelernt hat, weil sie beide »Garden State« auf Facebook geliked hatten. Zunächst wollte niemand den Film produzieren, weshalb ich es umso schöner finde, dass er nun so eine positive Wirkung hatte.

Seitdem sind zehn Jahre vergangen. Und ich habe gemerkt, dass auch ein Typ, den ich im ­Regen küsse, ein Langweiler sein kann. Wie hat sich dein Bild von der Liebe verändert?
Liebe bedeutet für mich, dass da jemand ist, der mir hilft, mich vor mir selbst zu retten. Ich mag die Vorstellung, dass man mit einem anderen Menschen ein gut funktionierendes Duo bildet. Es gibt ein schönes Zitat aus dem Buch »Die Reisen des Mr. Leary« von Anne Tyler: »Langsam glaube ich, dass es nicht darum geht, wie sehr du jemanden liebst, sondern wie du bist, wenn du demjenigen nahe bist.«

Im Frühjahr 2014 ging deine Beziehung nach fünf Jahren zu Ende. Auch in deinem neuen Film »Wish I Was Here« beschäftigst du dich mit den zerstörerischen Auswirkungen des Alltags auf die Liebe.
Das ist ja keine wirklich neue Erkenntnis. Wenn man seine Familie oder Freunde beobachtet, dann erlebt man das immer wieder.

Wish I Was Here

Worum geht’s?
Aidan Bloom (Zach Braff) kriegt sein Leben nicht in den Griff: Er ist arbeitslos, sein Vater finanziert sich eine experimentelle Krebstherapie, statt die Schulgebühren der Enkel zu bezahlen. Am Ende muss Aidans Frau Sarah (Kate Hudson) die Familie durchbringen.

Worum geht’s wirklich?
Die wenigsten Menschen sind Helden. Das ist aber auch okay.

Wermutstropfen:
Zu viele Drehbuchsätze erinnern an esoterische Motivationspostkarten (»Du schaffst alles, wenn du es nur willst«).

Start: 9. Oktober
Mit: Kate Hudson, Jim Parsons, Josh Gad. Regie: Zach Braff

Deine Eltern haben sich scheiden lassen, als du acht Jahre alt warst. Trotzdem feiert ihr weiterhin zusammen Thanksgiving.
Meine Eltern und ihre neuen Partner würden vermutlich nicht als Doppel-Date ins ­Kino gehen, aber an Feiertagen reißen sie sich zusammen: Schließlich wollen sie die Kinder und Enkelkinder sehen.

Hast du als Scheidungskind ein anderes Verhältnis zu Ehe und Liebe?
Ich stehe dem »Bis dass der Tod uns scheidet«-Schwur schon skeptisch gegenüber. Das liegt nicht unbedingt an der Scheidung meiner Eltern. Aber man hört doch andauernd von Menschen, die sich trennen. Ich habe mal gehört, dass die Institution der Ehe geschaffen wurde, als die menschliche Lebenserwartung nur dreißig ­Jahre betrug. Ich finde das einleuchtend: Vielleicht können wir eine Person gar nicht das ganze Leben lang ertragen.

Ist das nicht auch sehr traurig?
Mich nervt meine eigene Skepsis total. Denn eigentlich bin ich ein romantischer Typ. Ich habe immer noch diese Fantasie, dass ich irgendwann die Frau meines Lebens treffe.

Wie sieht diese Fantasie genau aus?
Ich kann mich stundenlang im Konjunktiv verlieren: Was wäre passiert, wenn. Treffe ich heute Abend meine große Liebe? In einer Berliner Bar? Und wie hängt das alles zusammen? Wenn ich nicht meinen neuen Film über Crowd­­funding finanziert hätte, wäre ich nie nach Deutschland gekommen, um meine Investoren zu treffen, hätte nie an genau diesem Tag in ­genau dieser Bar gesessen. Diese Gedankenschleifen machen mich fertig.

Glaubst du an Schicksal?
Nein.

Klingt aber so.
Na ja, wer kann das schon genau sagen. Ich glaube nicht an eine höhere Macht oder einen Gott, der einen Plan für uns hat.

Sondern?
Das klingt jetzt vielleicht hippiemäßig, aber ich glaube an positive Energie, an Karma. Wenn du eine nette Person bist, wird dir Gutes widerfahren. Wenn du dich wie ein Arschloch aufführst, wird dir Schlechtes widerfahren. Diese Regel gilt jedoch nicht immer. Leider gibt es auch gute Menschen, denen Schlechtes zustößt.

Warum sind die männlichen Figuren in deinen Filmen und auch in dem Theaterstück »All New People« eigentlich solche Emos?
Die Figuren sind Versionen meiner selbst. Viele denken, ich sei ein Comedian, der lustige Typ aus »Scrubs« halt. In Wahrheit bin ich sehr melancholisch und habe mit Depressionen ­gekämpft. Ich fühle mich oft einsam und stelle alles infrage. Mit meinen Projekten möchte ich den Leuten sagen: Es ist okay, so zu sein, du bist nicht alleine.

»Scrubs« ist doch aber auch eine sehr lustige, oft alberne Serie über junge Ärzte.
Trauer und Humor sind kaum zu trennen. Ich erinnere mich, wie ich mit meiner Familie zur Beerdigung meiner Großmutter gefahren bin. Wir saßen zusammengequetscht im Auto und weinten. Plötzlich machte jemand einen Witz. Aus dem Nichts. Alle begannen, mit verheulten Augen zu lachen.

In deinem neuen Film spielst du Aidan, der arbeitslos ist und seine Familie nicht versorgen kann. Er sagt: Vielleicht sind wir gar keine Helden, sondern diejenigen, die gerettet werden müssen. Was bedeutet das?
Ich will das Klischee von Männlichkeit hinterfragen. Auch im Jahr 2014 gibt es Rollenerwartungen, die Männern und Frauen sagen, wie sie sich zu verhalten haben. Ein Beispiel: In 99 Prozent der Filme würde ein Mann den Typen, der seine Frau belästigt, verprügeln. In unserem Film aber kriegt Aidan was auf die Fresse. Er scheitert an den Erwartungen und seinem Wunsch, seine Frau zu beschützen.

Bist du auch oft an Erwartungen gescheitert?
Ich habe mich nie als harten Mann gesehen. In den 80er Jahren war ich in der Schule immer der Außenseiter. Das Schlimmste war damals, von seinen Mitschülern als schwul, weich oder feminin beschimpft zu werden – das Ideal war immer noch der altmodische ­Alphamann. Das ist doch verrückt. Selbst an der Universität galt es als spackig und unmännlich, sich für Theater zu interessieren. Filmstudenten­ waren die absoluten Nerds.

Hat sich in den letzten Jahren in diesem Bereich nicht vieles verändert?
In den USA zeigen sich die negativen Auswirkungen dieses altmodischen Rollenverständnisses zumindest sehr deutlich. Es ist zum Beispiel kein Zufall, dass viele Hollywoodstars mittlerweile aus Australien kommen: Sam Worthington, Hugh Jackman, Heath Ledger, schöne, muskulöse, talentierte Männer. In Australien sind schauspielernde Männer kein Tabu. Die Jungs sind so gut, weil sie schon als Kinder auf der Bühne standen. Sie konnten an einem Tag Fußball spielen und am nächsten Tag Theater – ohne als Weicheier zu gelten.

Mittlerweile bist du ja berühmt. Fühlst du dich immer noch als Außenseiter?
Na ja, beide Filme, die ich gemacht habe, wurden außerhalb des Filmsystems produziert. Bei »Garden State« hatte ich einen wohlhabenden Unterstützer. Und »Wish I Was Here« wurde von mir und 47 000 meiner Fans finanziert.

In »Garden State« hast du zusammen mit Natalie Portman selbst ein Klischee erschaffen: das der schusselig-süßen Indie-Frau.
Ich mag verrückte, lustige Frauen, die das Leben nicht allzu ernst nehmen. Mit der Sam aus »Garden State« habe ich quasi meine Traumfrau erschaffen. Es stimmt außerdem nicht, dass sie nur süß ist. Sam ist die schlauste und souveränste Figur in dem Film.

Stehst du immer noch auf »Sam«?
Ich glaube, ich hab mich durch die Außenwelt nicht groß beeinflussen lassen – mag ­immer noch den gleichen Typ Frau, den ich gut fand, als ich noch nicht berühmt war.

Du warst schon mit einem Popstar und einem Model zusammen, meintest aber kürzlich, du würdest nie wieder eine Beziehung mit einer berühmten Frau eingehen wollen. Warum?
Ich finde es gut, dass ich durch Manhattan radeln kann und sich niemand für mich inte­ressiert. Wenn ich allerdings mit einem Star zusammen bin, dann wähle ich damit automatisch ein Leben, das in der Klatschpresse stattfindet. Die Boulevardpresse ist fixiert auf weibliche Prominente: Wie sehen sie aus? Welche Klamotten tragen sie? Mit wem haben sie Sex? Mich alleine finden sie gar nicht so prickelnd und … Mist, ich merke gerade, dass ich die Frage nicht hätte beantworten sollen: Wenn ich nun doch wieder eine berühmte Freundin haben sollte, wird mir das bestimmt vorgehalten.

In einer Szene in »Wish I Was Here« stehen Aidan und seine Kinder auf einem großen Felsen, hinter ihnen die untergehende Sonne, die Musik setzt ein. Wo verläuft für dich die Grenze zwischen Kitsch und Romantik?
Du kannst die Szene natürlich kitschig finden. Aber ich habe mich schon mal auf einen Stein gestellt, meine Arme ausgestreckt und den Kopf in den Nacken gelegt. Und ich stand zusammen mit ein paar Freunden auch schon mal in einem Steinbruch und habe mir die Seele aus dem Leib gebrüllt, wie wir es in »Garden State« nachgespielt haben. Wir waren damals zwar ziemlich bekifft, aber das ändert nichts daran, dass ich Gefühle liebe und auch gerne darüber rede. Wenn Leute das blöd finden, kann ich ­ihnen nicht helfen.

Es gibt also überhaupt keinen Kitsch?
Ich werde jetzt nicht schlecht über Filme anderer Regisseure reden. Aber mich nerven vor allem Dialoge, die zu schlau und speziell sind. Niemand spricht in druckbaren Zitaten. Das wirkt aufgesetzt und falsch.

In deinen Filmen sagst du öfter »Ich liebe dich« zu Familienmitgliedern als zu den Frauen. Ist das nicht komisch?
Nein. Ich kann hundertmal am Tag sagen: »Tschüss Mama, ich liebe dich«, ohne dass sich der Satz abnutzt. Wenn ich aber mit jemandem zusammen bin, dann spreche ich erst von Liebe, wenn ich mir ganz sicher bin.

Was ist die schlimmste Antwort, die du je auf ein Liebesgeständnis gegeben hast?
Ehrlich gesagt: Ich bin in Beziehungen immer der, der zuerst mit dem »Ich liebe dich« herausplatzt. »Oh, nett. Vielen Dank« – das wäre wirklich eine furchtbare Antwort.