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Zuhause Supa Action!!!

Zuhause: Supa Action!!!
In Kampala, der Hauptstadt Ugandas, lebt ein Genie: Isaac Nabwana, der Tarantino der afrikanischen Slums.

Ein großer Tag fürs Kino, ein großer Tag für Uganda, ein großer Tag für Tiger Mafia: Endlich, nach Wochen und Monaten des Wartens, öffnet sich Ugandas Filmstudio Number One, Wakaliwood, für die Welt. NEON hatte schon in der Januar-Ausgabe über dieses beste Filmstudio Ostafrikas und dessen Regisseur-Genie Isaac Nabwana berichtet. Diese Liebeserklärung findet Ihr zur Erinnerung unten.

Auf wakaliwood.com könnt ihr nun aber auch endlich einen Film von Isaac sehen. In voller Länge. Umsonst. Der Film heißt »WHO KILLED CAPTAIN ALEX?«. Es ist Isaacs Regiedebüt und in dem Film fliegt alles in die Luft. Isaac hat den Film vor langer Zeit gemacht. Er hat seither, findet er, noch bessere gedreht. Aber die Welt soll Uganda von Anfang an kennenlernen. Geschenk aus Kampala!

Mindestens genauso wichtig: Ihr könnt Teil der best of the best movie industry werden. Die Crowdfunding-Kampagne auf der Seite soll Isaacs Traum von einem vernünftigen Studio fördern. Für fünf Dollar werdet Ihr Executive Producer – Euer Name in den Credits! Für 75 Dollar werdet Ihr erschossen – Isaac lässt Euch in seinem nächsten Film den Schädel wegsprengen! Für 150 Dollar kriegt Ihr ein vom Künstlergenie Harry the Barbarian liebevoll handgemaltes Filmposter auf Baumrinde – O.G. Kampala-Style! Diese und viele weitere Angebote, mit denen Ihr Euch selbst und sehr viele Menschen in Uganda glücklich machen könnt, findet Ihr ab sofort auf Kickstarter. Spread the love like Jesus Kung Fu!

Isaac und sein Team träumen davon, mit Filmen die ganze Community aus dem Slum ziehen zu können. Muss klappen!

Fotos:Anne Ackermann

Ein Mensch hat einen Traum, der Weg zu dessen Verwirklichung führt durch die Realität. Der Traum wird unterwegs blass und geht verloren. So läuft es meistens, aber nicht in dieser Geschichte.

Diese Geschichte spielt in Kampala, Uganda. Wenn man mit einem Boda, einem Motorradtaxi, durch Kampala fährt, sieht man überall Menschen, zahllose Menschen, eine Stadt, die explodiert wie ein Wimmelbild, und alle träumen sie von etwas. Man hört ihre Stimmen und das Gehupe in den Straßen und Dancehall aus den blechernen Boxen der Lädchen, die alle das Gleiche verkaufen und alle vollgemalt sind mit Werbung für Seife oder Batterien oder SIM-Karten.

Zuhause: Dauda, Mechaniker und Schauspieler, in seiner Lieblingsrolle: als Wahnsinniger. Die Nachbarskinder schreien, wenn sie ihn so sehen
Dauda, Mechaniker und Schauspieler, in seiner Lieblingsrolle: als Wahnsinniger. Die Nachbarskinder schreien, wenn sie ihn so sehen

Kampala riecht nach Qualm und Asphalt und nach der roten Erde Ostafrikas, nach Holzfeuern und Gegrilltem und dem Regen in den heraufziehenden Wolken und dem Schweiß des Boda-Fahrers vor einem. Es ist heiß dort, die Sonne brennt, wenn sie zwischen den Wolken hervorkommt, Kampala nimmt alle Sinne ein; bis es Nacht wird und kühler und die Straßen stiller sind, dann geht eine Brise, die Bäume rauschen im Wind, der Himmel ist voller Fledermäuse und die Luft erfüllt vom Zirpen der Grillen. Dann fährt man mit dem Boda und will nie absteigen, zieht die weiche Nachtluft in die Lungen, und im Dunkel der Gassen ahnt man Gestalten über den Staub schweben wie Gespenster und sieht sie aufleuchten im Neonlicht der Bars. Kampala ist voll und laut, es stinkt und duftet, es ist arm wie ein Lumpensammler und schön wie eine Prinzessin.

In dieser Stadt hat Isaac Nabwana einen Traum gehabt und nicht verloren. Isaacs Traum ist wie eine Blume im Schutt, eigentlich darf so etwas nicht wachsen.

In Wakaliga, einem Slum in Kampala, in dem Isaac träumt und arbeitet, gibt es kein fließend Wasser und meistens keinen Strom, und wenn es zu viel regnet, läuft die Scheiße aus dem offenen Kanal in die Häuser hinein; und an diesem Ort ist Isaac geboren und aufgewachsen und gegen jede Wahrscheinlichkeit ein weltbekannter Regisseur geworden, ernsthaft, hat also etwa vierzig Actionfilme gedreht, fantastische, B-Movie-artige Trashfilme mit Explosionen, Helikopterjagden, Maschinengewehrsalven und Kung-Fu-Kämpfen. Die Filme haben je etwa 150 Dollar gekostet, aber Millionen von Menschen haben im Internet die Trailer dazu angesehen, sie in sozialen Netzwerken geteilt, auf Youtube entdeckt oder auf College-Websites. Das ist unfassbar. Harry, einer der Schauspieler, glaubt, dass es Gottes Gnade sein müsse, denn guck mal, sagt Harry, alles, was du hier um dich siehst, kann es eigentlich nicht geben, aber es ist doch trotzdem die Wirklichkeit.

Zuhause: Alan Hofmanis ist vor drei Jahren in Wakaliga aufgetaucht. Erst als Fan, dann als Darsteller. Jetzt hilft er Isaac dabei, dessen Filme bekannt zu machen
Alan Hofmanis ist vor drei Jahren in Wakaliga aufgetaucht. Erst als Fan, dann als Darsteller. Jetzt hilft er Isaac dabei, dessen Filme bekannt zu machen

Die Wirklichkeit: Samstagvormittag in Wakaliga. Die Kinder aus der Nachbarschaft haben sich entlang des Abwasserkanals versammelt und beobachten die Dreharbeiten zu Isaacs neuestem Film, der eine Fortsetzung seines beliebten Klassikers »The Return of Uncle Benon« werden soll. Der Dreh findet vor seinem Haus statt, gefilmt wird eine Prügelei zwischen Uncle Benon und zwei Gangstern. Isaac Nabwana, 42, Regisseur, Produzent, Cutter und Kameramann, läuft mit seiner Kamera auf dem Hof vor seinem Haus hin und her, »Action« und »Cut« ruft er, gibt zwischen den Takes leise ein paar Anweisungen, wieder und wieder müssen die Darsteller die Choreografie aufführen, fliegen Uncle Benons Beine durch die Lüfte, wälzen die Gangster sich im Staub, damit Isaac die Szene aus diversen Winkeln filmen und zusammenschneiden kann. Es gibt halt nur eine Kamera und nur ein Mikro. Ist aber egal, die Schauspieler haben Spaß und die Choreografie ist super; nicht zuletzt deswegen, weil einer der Darsteller aus dem Slum mal im Shaolin-Kloster in China gelebt hat und den anderen viel hat beibringen können, aber das ist eine andere Geschichte, und man kann nicht alle Geschichten aus Wakaliga erzählen.

Zuhause: Für ein Musikvideo hat sich einer der Schauspieler als Michael Jackson verkleidet. Die Farbe im Gesicht ist aus Eiern und Mehl zusammengekleistert
Für ein Musikvideo hat sich einer der Schauspieler als Michael Jackson verkleidet. Die Farbe im Gesicht ist aus Eiern und Mehl zusammengekleistert

Die von Isaac: Er wächst auf als eins von zwanzig Kindern, die seine Großmutter Rachel in Wakaliga großzieht. Der kleine Isaac hat zwei große Brüder, die gerne ins Kino gehen, und immer wenn sie zurückkommen, erzählen sie Isaac und den übrigen Geschwistern von den Filmen. Alle hören zu und stellen sich dazu die Bilder vor. Die Filme, die in Isaacs Kopf ablaufen, als er ein Kind ist, sind die Filme, die er heute selbst macht, seine Fantasien von Rambo oder von Chuck Norris, transponiert nach Wakaliga, nach Uganda, in die Gegenwart und die Nachbarschaft. Der kleine Isaac steht im Dunkeln, in der einen Hand hat er eine Taschenlampe, in der anderen eine Rolle Film, die er gefunden hat, er zieht die Rolle über das Licht der Taschenlampe, dass die Bilder sich bewegen. Kino. Der kleine Isaac, der eine Wasseruhr baut in der morschen Seifenfabrik auf dem Hügel, ohne Anleitung, einfach so, weil er sie sich ausgedacht hat. In Deutschland wäre Isaac wahrscheinlich auf einer Schule für Hochbegabte, in Kampala schippt Isaac Sand, um Schulgeld zu verdienen, backt Ziegel, um Schulgeld zu verdienen. Isaac spielt mit anderen Kindern Theater, er gibt die Anweisungen, veranstaltet opulente Spiele.

Die Filme, die in Isaacs Kopf liefen, als er ein Kind war, sind die Filme, die er heute macht

Als Isaac zwölf Jahre alt ist, 1984, gibt es Krieg, einmal fliehen er und seine Großmutter vor den Gewehrsalven, die aus einem Helikopter kommen, die Großmutter sagt, er soll sie zurücklassen, aber das kann Isaac nicht, beide überleben. Isaacs Jugend ist für Uganda eine Zeit voller Gewalt, Krieg und Revolution, Überbevölkerung und Chaos, Menschen verschwinden, Menschen sterben, aber nicht Isaac. 1988, er trainiert mit seinen Brüdern Kung-Fu, er sagt ihnen: Ich werde irgendwann selbst Kung-Fu-Filme drehen. Die Brüder lachen: Vergiss es, in Uganda macht man keine Filme, dazu braucht man Geld.

Zuhause: Im Tonstudio: Klavier, Verstärker, Geige und so etwas wie ein Motivationsspruch
Im Tonstudio: Klavier, Verstärker, Geige und so etwas wie ein Motivationsspruch

Aber der Traum vom Kino wird nicht blass. In den Jahren, die folgen, arbeitet Isaac in Hotels, er baut Häuser auf dem Land seines Großvaters, er zieht sogar eine Schule in der Nachbarschaft hoch, und dann irgendwann ist es schon 2006, und Isaac ist verliebt und seine Frau, Harriet, ist schwanger. Isaac, der sein Leben lang gearbeitet hat und jetzt ein bisschen Geld verdient durch die Miete aus den Häusern, die er gebaut hat, sagt seiner Frau und seinen Freunden, dass jetzt der Moment gekommen ist, dass er jetzt mit dem Filmemachen anfangen wird, mit dem Traum, den er nicht vergessen kann. Er ist zu diesem Zeitpunkt noch nie im Kino gewesen, hat nur ein paar Actionfilme gesehen, eigentlich eher die Plakate als die Streifen selbst. Er ist, von außen betrachtet, nicht gerade interessiert an Film. Aber er will nun Filmemacher werden. Warum? Weil er, so erklärt er das, Kunst in sich spürt. Bilder, die von innen nach außen wollen. Filme, sagt Isaac, sind etwas, das Leute glücklich macht, und wer möchte nicht etwas tun, das Leute glücklich macht?

Zuhause: Im Proberaum liegt eine Requisite für den nächsten Kannibalenfilm vor einem in Uganda gestrandeten Backstreet-Boys-Poster. Kannibalenfilme sind ein von Isaac erst kürzlich entdecktes Genre
Im Proberaum liegt eine Requisite für den nächsten Kannibalenfilm vor einem in Uganda gestrandeten Backstreet-Boys-Poster. Kannibalenfilme sind ein von Isaac erst kürzlich entdecktes Genre

Wie macht man Film? Ein Typ, der in einem Schuppen um die Ecke illegale DVDs verkauft, sagt Isaac: Computer machen Filme. Du musst einen Computer haben für den Schnitt und für die Effekte. Computer sind wahnsinnig teuer. Das erste Geld, das Isaac auf seinem Weg zum Filmemacher investiert, gibt er an einer Computerschule aus. Sechs Monate dauert die Ausbildung zum Computertechniker, sie kostet sechs Millionen Schilling, etwa 1600 Euro. Isaac hat eine Million Schilling und schafft sich in einem Monat alles drauf. Setzt sich morgens in die Kurse für die Fortgeschrittenen und baut abends mit seinem Schrottcomputer nach, was er den Lehrer morgens hat machen sehen. An der Decke hängt eine Glühbirne und Harriet ist schwanger und Isaac lötet an Festplatten.

Isaac lernt Kameraarbeit an einer Schule, an der Fernsehjournalismus unterrichtet wird. Ich will, sagt Isaac, Filme machen, Actionfilme. Die Leute an der Schule meinen, das geht nicht, dafür brauchst du Millionen. Aber Isaacs Großmutter Rachel, die, die zwanzig Enkel großgezogen hat, hat ihm beigebracht: Lass dich von niemandem kleinreden. Du musst träumen. Isaac zahlt für einen Monat Filmschule.

Zuhause: Der Kämpfer auf der rechten Seite ist Uncle Benon. Auch bekannt als Bruce U, »U« wie Uganda, statt »Lee«
Der Kämpfer auf der rechten Seite ist Uncle Benon. Auch bekannt als Bruce U, »U« wie Uganda, statt »Lee«

Er kauft eine Kamera, die er mühsam beim indischen Elektronikhändler abstottert, in 30-Cent-Schritten. Er beginnt sofort damit, Filme zu machen. Er behauptet einfach, er sei Filmemacher, lässt sich anheuern. Schon in seinen ersten Streifen, es sind Theaterstücke, die er für Kunden abfilmt, nutzt er maximal viele Spezialeffekte, um zu lernen, wie das geht; er arbeitet sich in die Software Adobe After Effects ein. Geister schweben aus Gräbern und Gegenstände durch die Luft.

Die Filme werden auf DVDs gebrannt und in den lokalen Lädchen vertickt. Ein Dollar, ein Film. Das ist normal, Kinos gibt es in den Slums nicht. Wer keine Glotze besitzt, geht in die Video-Hall. Da läuft ein Film auf fünf Fernsehern gleichzeitig, die Leute sitzen und gucken, und vorne steht ein VJ, ein Videojoker. Ursprünglich waren VJs Live-Synchronsprecher; wenn sie das Geschehen auf dem Bildschirm nicht verstanden, dachten sie sich einfach eine Handlung zu den Bildern aus und erzählten Witze dazu. Heute sind VJs oft schon auf die Tonspuren der DVDs gepresst, weil niemand mehr Lust auf Filme ohne VJ hat, weil viele Leute auch gar nicht mehr die Karrieren von Schauspielern oder Regisseuren verfolgen, sondern den neuesten Film von ihrem Lieblings-VJ haben wollen.

Zuhause: Die Schauspieler verkleiden sich als Menschenfresser
Die Schauspieler verkleiden sich als Menschenfresser

Die Leute sehen Isaacs erste Filme in den Video-Halls und rasten aus. Das ist ihr Dorf, ihr Slum, in dem die Sachen durch die Luft fliegen. Isaac, kannst du zaubern, fragen sie. Isaac macht einen Aufruf im Radio für Castings. Die Leute kommen. Zum Beispiel Dauda, der jetzt unverzichtbar ist, der alles reparieren kann, der für die Filme Waffenmodelle baut und Kamerakräne und Schienen für Kamerafahrten, das mechanische Gegengenie zu Isaacs Künstlerkopf. Die Kung-Fu-Experten tauchen auf. Alles kommt zusammen wie ein Wunder.

Zuhause: Harriet, Isaacs Frau, hält als Managerin die Gruppe beisammen und produziert auch selbst Filme
Harriet, Isaacs Frau, hält als Managerin die Gruppe beisammen und produziert auch selbst Filme

Der erste Actionfilm von Isaac ist »Who Killed Captain Alex«, dessen Höhepunkt darin besteht, dass ein Helikopter das größte Hochhaus von Kampala in die Luft sprengt. Triumph: Isaac kann in die Luft sprengen, was er will. Ohne Millionen, mit After Effects. Seine Filme werden nun superschnell. Er hat keinen Nerv für Exposition, für Pausen. Alles geht sofort los und hört nicht mehr auf. Warum zeigen, dass jemand frühstückt? Wo bleibt die Schießerei? Die Leute sollen etwas zu sehen kriegen für ihr Geld. Die Filme sind voller Action und Gewalt, das Blut spritzt, Köpfe fliegen ab. Isaac sagt: Das ist keine Gewalt, das ist lustig. Gewalt ist, wenn Soldaten kommen und die Jungs abtransportieren, Gewalt ist, wenn deine Eltern gefoltert werden. Das, was hier in Uganda passiert ist. Die Filme sind ein Witz, Auszeit vom Alltag.

Den Trailer zu »Captain Alex« und den zu einem anderen Film, »Tebaatusasula«, lädt Isaac eines Nachmittags ins Internet, auf Youtube, aus Spaß. Einige Wochen später beginnt sein Telefon zu klingeln. Leute aus Amerika rufen ihn an, aus Griechenland, aus Israel, aus Ruanda und Nigeria. Seine Telefonnummer wird ja im Trailer eingeblendet. Bist du der Typ, der diese Filme macht? Wo kann ich die in ganzer Länge sehen? Isaac ist erstaunt. Seine Trailer sind Youtube-Hits. Warum? Die Filmchen sind natürlich erst mal verrückt. So was hat die Welt noch nicht gesehen. Krude Keilereien, wilde Schießereien, absurde Spezialeffekte. Dazu schreit Isaacs Lieblings-VJ, Emmi, wie ein Marktweib: »Action, lalalalalalala!!!!« Vielleicht ist es ja das, was die Leute so reizt. Sie erkennen in den Filmen, die aus Isaacs Kopf stammen, die Fantasien aus ihren eigenen Köpfen wieder. Isaacs Filme sind der Kindertraum von Kino, sie sehen so aus, wie man sich an die ersten Filme im Leben erinnert, sie sind so, wie man den ersten »James Bond« erlebte. Alles geht schnell und ist aufregend und knallt.

Zuhause: Ein Mann und sein Traum: Isaac vor den Postern seiner beliebtesten Filme. Die Waffe, die er hält, hat Dauda gebaut. Sie hat sogar einen Namen: Maria
Ein Mann und sein Traum: Isaac vor den Postern seiner beliebtesten Filme. Die Waffe, die er hält, hat Dauda gebaut. Sie hat sogar einen Namen: Maria

An dem Drehtag in Wakaliga ist die Szene mit Uncle Benon inzwischen im Kasten. Der Himmel hat sich zugezogen, bald fallen erste dicke Tropfen, ideale Voraussetzungen für eine andere Szene für einen anderen Film, an dem Isaac gerade arbeitet: ein Kannibalenstreifen. Isaac filmt, wie die Kannibalen einen schreienden Muzungu, einen Weißen, aus dem Schutz eines Unterstands in den Regen ziehen und schlachten.

Der Weiße ist Alan Hofmanis, ein Amerikaner. Vor drei Jahren saß Alan in einem Irish Pub in New York, sein Job bei einem Filmfestival war gerade ausgelaufen, seine Freundin hatte ihn gerade verlassen, er saß da und sah auf einem Handybildschirm, den ihm ein Halbfremder hinhielt, den Trailer zu »Captain Alex«. Alan sah etwas in den Bildern, das er im Filmbusiness erst wenige Male gesehen hatte: Erzählwut. Rohes Talent. Er kaufte sich schon am nächsten Tag ein Ticket nach Kampala. Alan verstand als Erster, dass die Welt die Filme von Isaac Nabwana in voller Länge kennenlernen muss.

Am 26. Dezember wird »Captain Alex« zum ersten Mal in Gänze zu sehen sein. Umsonst, im Internet, mit Untertiteln von Alan und der Stimme von VJ Emmi. Mit dem Release von »Captain Alex« wird es auch eine Kickstarter-Kampagne geben. Im Internet können die Leute zum Beispiel kaufen, dass sie in einen Film von Isaac eingebaut werden und ihnen der Kopf weggeballert wird. Spenden geht auch. In Anbetracht der Tatsache, dass Isaac in Uganda pro verkauften Film etwa 50 Cent verdient und pro Film immer nur etwa 500 Kopien loswird, bevor der Markt mit Raubkopien überschwemmt wird, geht es um jeden Cent.

Und Isaac träumt. Stell dir mal vor, flüstert er, wir kriegen 30 000 Dollar zusammen. Wir könnten ein echtes Studio bauen. Wir könnten Kameras kaufen und Computer. Ich könnte die ganze Jugend hier ausbilden. Wir könnten eine Filmindustrie hochziehen! Das erste Ziel, das sich Isaac für den Kickstarter gesetzt hat, sind allerdings 50 Euro. Für einen ferngesteuerten Panzer. Den will er in den nächsten Film reinschneiden, den mit den Kannibalen. Es wird um Kannibalen gehen und Soldaten. Isaac will nicht zu viel verraten. Nur ein Stichwort noch. Er grinst, und dann flüstert er: »Obama«.

Tarantino für Arme: Ein Besuch am verrücktesten Filmset Afrikas

Dieser Text ist in der Ausgabe 01/15 von NEON erschienen. Hier können Einzelhefte des NEON-Magazins nachbestellt werden. Alle Ausgaben seit September 2013 gibt es auch digital in der NEON-App.

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