Der heutige Welttag des Buches zelebriert die Kultur des geschriebenen Wortes und hat uns zum Anlass gegeben, einige unserer Lieblingsbücher des letzten Jahres zusammenzutragen.
Miriam Dahlinger
John Green / Das Schicksal ist ein mieser Verräter
»Was ich euch uneingeschränkt ans Herz legen möchte: Lest unbedingt ›Das Schicksal ist ein mieser Verräter‹ von John Green. Es ist das schönste und traurigste Buch, das ich kenne. Wovon ich euch unbedingt abraten möchte: Lest es auf keinen Fall auf einer Zugfahrt, im Flugzeug, im Park oder an irgendeinem anderen öffentlichen Ort. Früher oder Später bringen euch die Protagonisten Hazel und Gus unweigerlich zum Heulen – vor Lachen, vor Wut, vor Trauer und weil diese Geschichte dabei trotzdem so unglaublich schön ist.
›Das Schicksal ist ein mieser Verräter‹ erzählt die Geschichte zweier krebskranker Jugendlicher, die sich in einer Selbsthilfegruppe kennenlernen, verlieben und – Vorsicht Spoiler – schließlich sterben. Ohne viele Sentimentalitäten, klug, und schnörkellos hat mich dieser Roman tief berührt, sodass ich am Ende emotional total überfordert, zu der Erkenntnis kam, ja, das Schicksal ist ein mieser Verräter und trotzdem so verdammt schön.
Ich saß also heulend im Zug von München nach Hamburg und wollte sofort der ganzen Welt (und meiner leicht irritierten Sitznachbarin) von diesem Buch erzählen, oder wie Green schreibt: ›Manchmal liest man ein Buch, und es erfüllt einen mit diesem seltsamen Missionstrieb, und du bist überzeugt, dass die kaputte Welt nur geheilt werden kann, wenn alle Menschen dieser Erde dieses eine Buch gelesen haben.‹«
Onur Yildirancan
Emily Bronte / Sturmhöhe
»Liebe ist ja nun schon ein sehr häufig bemühtes Thema in der Literatur. Been there, done that. Aber Emile Brontes Sturmhöhe fügt diesem süßesten aller menschlichen Zustände Zutaten hinzu, die man sonst gerne mal ausspart: Bitternis. Schmerz. Hass. So ist die männliche Hauptfigur der Geschichte, Heathcliff, auch kein Held, sondern ein Antagonist, ein Gewalttäter, ein Teufel, den es zu besiegen gilt. Ihm – und seiner Geliebten Cathy – zeigt sich die Liebe als eine unheilbare Krankheit.
In dieser Konsequenz ist Sturmhöhe einzigartig, aber trotz des Themas nie gefühlsduselig: Ja, hier liebt ein Mensch mit Haut und Haar seinem Untergang entgegen. Und irgendwie ergibt das alles schrecklich viel Sinn.«
Kathrin Hennings
Robert Seethaler / Der Trafikant
»Seethaler schafft es auf 249 Seiten, einen naiven Jungen ganz leise und vorsichtig zu einem selbstdenkenden Mann werden zu lassen. Der 17-jährige Franz Huchel verlässt im Jahr 1937 sein malerisches Heimatdorf Nußdorf am Attersee um sich in Wien als Trafikant ausbilden zu lassen. In seiner Zeit in der Trafik lernt Franz den Professoren Sigmund Freud kennen, verliebt sich das erste Mal in ein Mädchen und durchlebt den ersten Liebeskummer. In der Zwischenzeit wächst abseits der kleinen Alltagsprobleme etwas heran, das all dies überschattet: Hitler schleicht sich meuchlings in das Leben des jungen Trafikanten und zerstört in kürzester Zeit den monotonen Alltag.
Wien, Freud, Nazis mag anfangs abgedroschen klingen – doch selten war die Entwicklung eines Charakters spannender zu lesen. Es macht deutlich, wie plötzlich eine ganze Generation aus ihrem Alltag gerissen wurde und alle bisher wichtigen Lebensinhalte von einen auf den anderen Tag an Bedeutung verloren.«
Melanie Goeres
Marina Keegan / Das Gegenteil von Einsamkeit
»Weil sie mit jeder ihrer Kurzgeschichten und Essays menschliche Wahrheiten abbildet, weil sie es schafft, mit ihren Worten die Seele zu berühren, und weil sie Probleme und Gedanken unserer Generation aufgreift und auf eine ehrliche Art und Weise damit umgeht.«
Linda Tutmann
J.M. Coetzee / Schande
»Subtil-verstörende Geschichte aus der nach Apartheid-Zeit in Südafrika.«
Kathrin Ahaeuser
Patti Smith / Just Kids
»Dieses Buch ist magisch. Es ist eine Liebesgeschichte an die Freundschaft, den Glauben an sich selbst, die Musik, die Lyrik, die Fotografie, die Kunst überhaupt… Es ist gleichzeitig ein großes Kapitel der Zeitgeschichte, denn Urgestein Patti kennt sie alle: Robert Mapplethorpe, Andy Warhol, Janis Joplin…«
Alard von Kittlitz
Ursula K. Leguin / »Earthsea«-Serie
»Ich habe zuletzt die vier Bücher der »Earthsea«-Serie gelesen, von Ursula K. Leguin. Ich lese normalerweise überhaupt keine Fantasy und habe mich beim Lesen in Bus und Bahn auch immer in die Ecke gedrückt, weil mir das Cover mit Drachen und Zauberern ein bisschen peinlich war.
Leguin ist die Tochter eines Anthropologen, und die Inselwelt, die sie da erschaffen hat, mit den verschiedenen Kulturen und deren Praxen, erinnert wirklich an Arbeiten von Pazifik-Experten wie Bronislaw Malinowski oder Reisegeschichten von Paul Theroux. Das schönste ist aber die »Magie« in dieser Welt, denn Zauber ist für Leguin am Ende in erster Linie ein ungebrochener, direkter Zugang zur Welt; Zauber bedeutet, die Dinge bei ihrem wahren Namen zu kennen und zu verstehen, was die Vereinzelung eines Dings, einer Praxis für das Gesamtbild, für die Balance bedeutet. Die Autorin ist Daoistin, sie kennt sich mit dieser chinesischen Philosophie, die das Leben als einen Fluss, als ein Da-Sein in Harmonie zu erreichen versucht, wirklich sehr gut aus, und das fließt alles in diese Bücher ein.
Das klingt jetzt alles übrigens viel hochtrabender, als man es sich vorstellen sollte. Tatsächlich sind die Geschichten um den Magier Ged Jugendbücher, in denen es um Erwachsenwerden, um Sex, Tod und Gender geht; sie sind spannend und unglaublich gut geschrieben, mit irrer Klarheit und Einfachheit. Und einfach kann man ja immer nur über die Dinge schreiben, die man wirklich verstanden hat.
Der Literaturpapst Harold Bloom hat über Leguin gesagt, bei ihr würde Fantasy zu »hoher Literatur, viel eher als bei Tolkien«. Ich kann mit Mittelerde auch überhaupt nichts anfangen, was »hohe Literatur« sein soll, weiß ich nicht so ganz genau, aber über »Earthsea« kann ich sagen, dass ich mich abends beim Nachhausekommen freute, dass ich gleich weiterlesen kann.«
David Mayer
Wolfgang Herrndorf / Bilder deiner großen Liebe
»Ein Mädchen haut ab. Niemand schreibt lustiger, trauriger, treffender übers Erwachenwerden als Wolfgang Herrndorf.«
Persönliche Empfehlungen treffen am zielsichersten direkt ins Herz des potentiellen Lesers. Welches Buch hat euch zuletzt berührt und wieso?