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Chilly Gonzales Chilly Gonzales: Mein Leben in… Komponisten

Chilly Gonzales: Chilly Gonzales: Mein Leben in… Komponisten
Der Pianist und Entertainer bekam als Kind Wagner-Opern eingetrichtert. Ein furchbarer Start in ein Leben voller Musik.

WAGNER Ich komme aus einer Wagner-­Familie: Als kleiner Junge hat mir mein jüdischer Großvater Wagner vorgespielt und die Opern als den Höhepunkt der europäischen Überlegenheit präsentiert. Inzwischen finde ich: Wagner ist ein Arschloch. Wenn ich in Köln über die Richard-Wagner-Straße gehe, spucke ich auf den Asphalt.

PROKOFJEW Als Teenager waren mein älterer Bruder und ich besessen von dem russischen Komponisten, weil er für uns wild und exotisch war. Während unsere Kumpels mit Mäd­chen geknutscht haben, saßen mein ­Bruder und ich am Klavier und haben stundenlang die Prokofjew-CD von Michel Béroff gehört und nachgespielt. Prokofjew ist der Heilige Gral für alle, die komplizierte Musik mögen. Der Anfang vom dritten Klavierkonzert ist in ­meine musikalische DNA übergegangen.

CHARLES MINGUS Dem Pianisten von Charles Mingus fehlten die Finger, deshalb ist seine Begleitung einfach. In der Zeit am College habe ich Jazz für mich entdeckt und erkannt: Hübsche Mädchen interessieren sich häufig nicht für die Komplexität von Musik, sie wollen Emotionen. Diese Erkenntnis war der Anfang meines Entertainerinstinkts.

DAFT PUNK Im Jahr 1998 bin ich nach Berlin gezogen und habe nur noch elektronische Musik gehört. Daft Punk waren meine Helden, weil sie konzeptionell dachten, wie Künstler. 2002 hat mich ihr Manager angeschrieben, ich coverte einen Daft-Punk-Song. Als ich in LA war, haben sie mich eingeladen, an ihrem Album mitzuarbeiten. Deshalb habe ich jetzt einen Grammy.

JOHANNES BRAHMS Auf einem Hinterhofflohmarkt habe ich Brahms’ ­»10 Intermezzi« in der Einspielung von Glenn Gould auf Vinyl gekauft. Heute interessiere ich mich für intime Musik, wie sie Brahms komponiert hat. Er hat seine Sehnsucht in die Musik gelegt. Brahms hat für mich genau die richtige Mischung aus Herz, Kopf und Eiern. Er ist damit das Gegenteil von dem, was mein Großvater mir immer vorgespielt hat.

Dieser Text ist in der Ausgabe 05/15 von NEON erschienen. Hier können Einzelhefte des NEON-Magazins nachbestellt werden. Alle Ausgaben seit September 2013 gibt es auch digital in der NEON-App.

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