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Liebe Bettgeschichten: Dirty Ärztin

Liebe: Bettgeschichten: Dirty Ärztin
Eine Frau versucht, ihr Sexleben mit Rollenspielen wieder­zubeleben. Kann das funktionieren?

Text: Sascha Chaimowicz | Illustration: Stefan Bachmann

Anfangs waren sich Maria und Alexander einig, damals beide achtzehn Jahre alt, eine Schulliebe. Sie fanden ­Paare merkwürdig, die sich »auf übertriebene Art« mit ihrem Intim­leben beschäftigen. Muss man echt über Sex sprechen, nachdenken oder, um Gottes willen, sogar daran arbeiten? Wer jemanden liebt, hat Lust auf ihn, ganz einfach.

In den ersten Jahren gab ihnen ihr Sexleben recht. An den Wochenenden schliefen sie bis zu fünfmal am Tag miteinander. Das »Grundgerüst«, wie Maria es mir gegenüber nennt, sah so aus: Mal war er oben, mal sie, zum Vorspiel hatten sie Oralsex – so schlicht, so gut.

Ein paar Jahre später, Studium, Selbstverwirk­­­li­chung, Job. Maria arbeitete in einem Institut, das weltweit junge Künstler fördert. Alexander studierte BWL und jobbte in der Immobilienfirma seines Vaters. Längst wohnten sie zusammen, es kehrte das ein, was Paare gemütlich-resi­gniert-ängstlich Beziehungsalltag nennen. Sie begannen, viel zu streiten. Und weniger Sex zu haben. Dreimal die Woche. Zweimal. Bald hatten sie sich dem Schnitt eines Langzeitpaars angenähert. Einmal die Woche. Maria und Alexander waren 23 Jahre alt. Ein weiteres Problem: Sex war nicht nur Sex, sondern diente ihnen zur Konfliktlösung. Wenn man miteinander schläft, kann man nicht miteinander streiten. Logisch. Aber weil sie kaum Sex hatten, ­wurde die Stimmung immer schlechter.

Maria wollte ihr Sexleben reanimieren und bestellte spontan Sexspielzeug im Internet. Der Paketbote brachte einen Vibrator, Handfesseln, Gleitgel und den vibrierenden Penisring »Schwimmreif«. Die Fesseln fand Alexander pein­lich, den Ring unbequem. Ein Reinfall.

Der nächste Versuch. Rollenspiele sollen ja irgendwie heiß sein. Als Alexander mal krank im Bett lag, spielte ­Ma­ria die »dirty Ärztin«, wie sie es ausdrückt: »Tut es sehr weh?«, »Wie fühlt sich das an?«, »Soll ich ein bisschen fes­ter drücken?« Maria dachte, Alexander würde schon mit­spielen. Tat er nicht. Er lag nur da. Sie holte ihm einen runter. So schlicht, so schlecht. Später wischte sich Maria sein Sperma von der Hand. Schweigen. Sie stritten erstmals über Sex. Maria verstand nicht, warum Alexander nie über seine Fantasien sprach. Er sagte: Wir müssen nicht reden. Wenn man jemanden liebt, hat man Lust auf ihn. Punkt.

Maria probierte es noch einmal, Wochen später. »Die Musterung«: Alexander musste sich nackt und mit dem ­Rücken zu ihr an die Schlafzimmerwand stellen. Sie ­tastete ihn ab, ihre Hände wanderten nach unten, sie begann, seinen Damm zu massieren, sagte: »Bitte mal husten.« Ale­xander prustete los, lachte sie aus. Rollenspiele macht man nicht einfach so alleine, man braucht eine Bühne abseits des Alltags und Schauspieler, die das Drehbuch kennen. Was man nicht braucht, ist ein Partner, der einen auslacht.

Wenig später trennte sich Maria von Alexander. Nach sieben Jahren. Wegen Sex. Sie erzählt mir die Geschichte im Zimmer der WG, in die sie gerade gezogen ist. »Ich glau­be, er hat mich nicht mehr geliebt«, sagt sie. Das roman­tische Sexkonzept gilt eben auch andersherum: Wenn man keine Lust auf jemanden hat, liebt man ihn auch nicht. So sieht Maria das. Liebte sie ihn denn noch? Sie zögert. »Wenn wir denn mal Sex hatten, war alles gut.« Ich glaube, sie weiß, dass die »dirty Ärztin« und die Rollenspiele mehr wiederbeleben sollten als nur ihr Sexleben.

Sascha Chaimowicz fragt jeden Monat Menschen, was für sie guter Sex ist. Was antwortet Ihr? Schreibt an bettgeschichten@neon.de

Dieser Text ist in der Ausgabe 03/15 von NEON erschienen. Hier können Einzelhefte des NEON-Magazins nachbestellt werden. Alle Ausgaben seit September 2013 gibt es auch digital in der NEON-App. Eine Übersicht aller »Bettgeschichten« findet ihr hier.

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