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Liebe Bettgeschichten: »Laut gestöhnt hat bei mir keine«

Liebe: Bettgeschichten: »Laut gestöhnt hat bei mir keine«
Max findet, dass er nur mittelmäßig im Bett ist. Kann sein Sexleben trotzdem erfüllend sein?

Text: Sascha Chaimowicz | Illustration: Stefan Bachmann

Vor einigen Monaten lag Max mit dem Kopf zwischen den Beinen einer Frau und befriedigte sie oral. Vier Mi­nuten lang, fünf, sie zeigte keine Reaktion, nicht mal ein leichtes Zucken in den Oberschenkeln. Dann berührte die Frau Max sanft am Unterarm und sagte: »Danke, dass du das gerade machst. Es bringt nur leider nichts.«

Max, 29 Jahre alt, BWL-Student, Typ Tom Schilling, kann viele solcher Geschichten erzählen. Es ist Donnerstagnachmittag, er sitzt in Hemd, Jeans und Hoodie am ­Küchentisch seiner Vierer-WG in Hamburg. Die Mitbewohner sind nicht zu Hause. »Was Sex angeht, würde ich mich als mittelmäßig bezeichnen. Wenn ich mir sieben von zehn möglichen Punkten geben würde, wäre das wahrscheinlich zu hoch gegriffen.« Er sagt das so entspannt, als hätte ich ihn gefragt, ob er gut kochen könne.

»Nach zwei, drei Minuten Penetration stehe ich meistens unmittelbar vor dem Orgasmus. Ich mache dann kurz Pause, sieben, acht Sekunden etwa, ohne meinen Penis raus­zuziehen. Das ist wie Parken. Keine Ahnung, ob an­dere Männer auch so vorgehen, zumindest habe ich das in keinem Film gesehen bisher. Dann geht es weiter.« Wenn er oben liegt, bemüht er sich, seine Körperspannung zu halten und nicht wie eine Decke auf der Frau zu liegen. »Ich kann mich in der Position leider nur wenige Minuten halten, weil mir dann ehrlich gesagt die Arme vom Abstützen zu zittern beginnen. Das ist ja letztlich wie eine Liegestütze, die man minutenlang halten soll. Deshalb wechsle ich die Position und lege mich auf den Rücken.« Laut gestöhnt habe eine Frau bei ihm noch nie, was hingegen regelmäßig vorkomme, sei heftiges Ein- und Ausatmen, das schon.

Wenn man das so hört, könnte man glauben, Max sei ein von Selbstzweifeln geplagter Mensch. In Wahrheit strahlt er vor allem Gelassenheit aus. Er ist Realist und kann gut einordnen, was er kann und was nicht. Er will zwar Unternehmensberater werden, aber eher in einem kleinen nachhaltigen Unternehmen und nicht an der Wall Street, denn für die sei er nicht stressresistent genug. Er geht alle vier Wochen zum Friseur, kümmert sich also um sein Aussehen, sagt aber von sich, dass er »bestimmt nicht zu den Attraktivsten fünf Prozent« gehört.

Sex macht ihm Spaß, außerdem hat er ja auch Erfolgserlebnisse. »Manche Frauen wie meine Exfreundin zum Beispiel fanden es gut mit mir. Sie kam bei jedem dritten Mal etwa zum Orgasmus.« Er versteht nicht, warum Menschen im Bett so sehr nach Perfektion streben. »Wenn man sich für Essen interessiert, macht Kochen ja auch nicht erst ab Sterneküchen-Niveau Spaß.«

Max’ Gelassenheit rührt daher, dass er seine Sex-Performance nicht mit Selbstwertgefühl verknüpft. Er macht sich nicht fertig, wenn eine Frau seine Oralsex-Fähigkeiten unbefriedigend findet – er erklärt sich das dann damit, dass jede Frau eben anders sei.

Gleichzeitig fühle er sich nicht aufgewertet, wenn eine Frau durch ihn zum Orgasmus komme. »Da spielen doch so viele Zufälle mit hinein, ob eine Frau kommt.«

Zum Ende unseres Gesprächs gibt er einen Rat. Man solle folgenden Satz einfach mal laut vor sich hin sagen und ihn, wenn man sich wohl mit ihm fühle, auch engen Freunden und neuen Liebschaften sagen. Er geht so: »Ich bin okay im Bett.« Max sagt, der Satz mache locker und glücklich.

Sascha Chaimowicz fragt jeden Monat Menschen, was für sie guter Sex ist. Was antwortet Ihr? Schreibt an bettgeschichten@neon.de

Dieser Text ist in der Ausgabe 04/15 von NEON erschienen. Hier können Einzelhefte des NEON-Magazins nachbestellt werden. Alle Ausgaben seit September 2013 gibt es auch digital in der NEON-App. Eine Übersicht aller »Bettgeschichten« findet ihr hier.

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