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Freizeit Absolute Beginner

Freizeit: Absolute Beginner
Als Kind probieren wir ständig Neues. Irgendwann wird das weniger. Wie schade! Warum wir uns wieder öfter an Dinge herantrauen sollten, die wir noch nicht können.

Foto: Dan Wilton

Mein Weg ins Wasser ist unspektakulär und langsam. Kein »Platsch«, kein spritzendes Wasser. Ich kullere wie ein Apfel aus einem vollen Obstkorb seitlich aus meinem Ruderboot. Blubb. Meine dick besohlten, teuren Laufschuhe sind aus den Fußschlaufen gerutscht und saugen sich jetzt mit dem Kanalwasser voll wie Wattepads. Ich strample und mache ein paar Züge weg vom Boot. Dann kriege ich eines der Ruder zu fassen und beginne, mein Boot, das jetzt mit dem Kiel nach oben wie ein toter Fisch auf dem Wasser treibt, in Richtung Steg zu ziehen.

Kajakfahrer ziehen an mir vorbei und blicken mitleidig herüber zu der gekenterten Ruderin. Ich fühle mich aber großartig. Ich bin 26 und kompletter Anfänger. Bei meinem ersten Sturz aus dem Ruderboot ins Wasser wird mir klar: Wir haben dieses Anfänger-Gefühl mittlerweile viel zu selten. Wie schade! Wir sollten uns wieder an Dinge herantrauen, in denen wir schlecht sind und die wir noch nicht können.

Wir haben Angst, zu scheitern – und versuchen es deshalb erst gar nicht

Wir drücken uns davor, Anfänger zu sein. Weil wir Angst haben, uns zu blamieren. Weil wir schon als Jugendliche herausgefunden haben, dass rhythmische Sportgymnastik nicht so unser Ding ist und bei den anderen irgendwie viel besser aussieht. Weil wir Einsicht in unsere Stärken und unsere Schwächen gewonnen haben. Wir stellen Kosten-Nutzen-Rechnungen auf. Und weil aller Anfang nicht nur dem Sprichwort nach schwer ist, raffen wir uns nur noch selten dazu auf, etwas Neues zu beginnen, einen lang gehegten Traum endlich mal auszuprobieren. Wir versuchen es oft gar nicht erst, weil wir nicht scheitern wollen.

Uns schrecken die Mühen, die man als Anfänger oft auf sich nehmen muss, egal ob beim Schriftzeichen lernen im Hebräisch-A1-Kurs oder am Beckenrand des Schwimmbeckens nach dem zehnten Bauchplatscher, der eigentlich ein cooler Kopfsprung werden sollte.

Es lohnt sich, seine Energie in ein Projekt zu stecken, das am Anfang keine oder nur sehr dürftige Ergebnisse liefert und in dessen Verlauf man vermutlich das ein oder andere Mal ziemlich dumm dastehen wird.

Zuerst fühle ich mich wie ein Trottel, dann werde ich geduldiger

In meinen ersten Ruderstunden ziehe ich das volle Anfänger-Programm durch. Ich schnalle die Ruder, die Skulls, falsch herum an und erschlage fast meinen Trainer damit. Beim Versuch, das Boot ins Wasser zu legen, falle ich beinahe selbst hinterher. Ich rausche volle Kanne in die tief über dem Wasser hängenden Zweige einer Trauerweide und tauche irgendwann aus dem Dickicht wieder auf wie ein Waldgeist. Klar habe ich mal ein paar Bootsfahrten gemacht, mit dem Tretboot oder einem bauchigen Kahn. Mit dem schmalen, wackeligen Einer-Ruderboot, dem Skiff, nicht zu vergleichen. Ich muss aussehen wie ein Trottel. Zuerst fühle ich mich auch so. Ich habe keine Geduld mit mir selbst.

Dann werde ich gelassener. Ich gebe mir Zeit und plötzlich klappt es auch mit dem Steuern besser. Ich freue mich über Ratschläge, die vom Bootssteg aus übers Wasser hallen und frage, wer mir mit dem Boot helfen kann. Ich registriere schon kleine Verbesserungen meiner Technik, auch wenn der Kollege neben mir schon locker mit seinem Boot an mir vorbeizieht.

Anfänger sein macht Spaß, lerne ich beim Rudern wieder. Und: Es geht vorbei. Wer sich traut und nicht aufgibt, muss eben nicht ewig Anfänger bleiben.

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