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Liebe Bettgeschichten: Höflich stöhnen

Liebe: Bettgeschichten: Höflich stöhnen
Nele weiß, dass Männer im Bett oft mit ihrem Selbstbewusstsein zu kämpfen haben. Weil sie ein netter Mensch ist, hilft sie nach.

Text: Sascha Chaimowicz | Illustration: Samuel Nyholm

Neulich ging es in dieser Kolumne um Max, der von sich sagte, er sei mittelmäßig im Bett, und zugab: »Gestöhnt hat bei mir noch keine.« Daraufhin bekam ich eine Mail von einer Psychologiestudentin namens Nele: »Hatte denn bis jetzt keine Frau bei Max den Anstand, wenigstens so zu tun als ob? Wenn ich mit einem Mann im Bett bin, stöhne ich immer. Nicht weil ich nicht anders kann oder weil es so berauschend ist, sondern einfach, weil ich dem Mann ein gutes Gefühl geben will.«

Stöhnen aus Mitgefühl – ein interessanter Ansatz. Ich wollte mehr über Neles Männerbild erfahren und verabredete mich mit ihr. Nele lebt in Bremen, ist 29 und ein sympathischer, herzlicher Mensch. Sie ist seit einem Jahr ­Single, hatte drei Beziehungen und elf weitere Sexpartner. Wenn sie davon erzählt, wird schnell klar, wie sie darauf kommt, dem männlichen Selbstbewusstsein auf die Sprünge helfen zu müssen. »Einmal kam ein Typ nach ­etwa einer Minute. Ihm war das so peinlich, dass er sich sofort danach auf die Seite rollte, den Fernseher anmachte und Formel 1 guckte.« Ein anderes Mal hatte ein Mann Probleme damit, seine Erektion zu halten. Nach einigen Fehlversuchen stand er auf, zog sich an und verließ wortlos die Wohnung. »Nach einer Woche schrieb er mir auf Facebook, dass ich doch gemerkt hätte, wie unangenehm ihm der Sex gewesen sei, und er erwartet hätte, dass ich ihn darüber hinwegtröste.«

Nele begann, eine einfache Regel anzuwenden: Konsequent vortäuschen. Und darin ist sie gut. Anderen etwas vorzuspielen, um sie glücklich zu machen, das kennt sie von ihrem Hobby: Rhönradfahren im Zirkus. Überhaupt ist Nele ein Mensch, der sich gern um andere kümmert. Warum also nicht auch beim Sex? »Die selbstbewussten Jungs stehen besonders darauf, wenn ich stöhne. Wenn ich mal nicht so laut sein wollte, weil die Mitbewohner da waren, und mir deshalb selbst – gespielt – die Hand auf den Mund gelegt habe, haben mir einige die Hand weggezogen, weil sie mich hören wollten.«

Echt ist ihr Stöhnen nie. Die Penetration fühle sich zwar gut an, bringe sie aber nicht in die Nähe eines Orgasmus. Dorthin komme sie nur durch Oralsex oder mit der Hand, sagt sie.

Manchmal wundert sich Nele, dass die Männer nie skeptisch werden. Schließlich täusche sie ja auch ihren Orgasmus vor – es wirkt so, als käme sie einfach wirklich jedes Mal. Aber sie hat nie erlebt, dass das einer komisch findet. Nur toll! Deshalb findet sie es auch selbst nicht schlimm, sondern sieht ihre Technik eher pragmatisch: »Praktischerweise dauert es nachmeinem Finale meistens nur vier, fünf Sekunden, bis der Mann kommt. So kann ich die Sache beenden, wenn ich keine Lust mehr habe.«

Sie genieße Sex, auch wenn nicht alles echt sei. »Mir ist der Orgasmus nicht so wichtig. Ich bin ein sehr körperlicher Mensch und mag ­Nähe und Berührung. Wenn man dann noch Spaß zusammen hat, reicht mir das vollkommen.« Warum dann nicht einfach authentisch sein? »Ich fake halt, weil ich nicht will, dass er sich so sehr bemüht, mich zum Höhepunkt zu bringen, dass das Ganze in Stress ausartet.«

Aus Neles Sicht sind Männer leicht zu kränkende Wesen. Darüber aber fällt sie kein Urteil. Ihre Weisheit besteht darin, dass sie dem Sex eine Komponente hinzufügt, an die man vielleicht zu selten denkt: Sie ist gutmütig.

Sascha Chaimowicz fragt jeden Monat Menschen, was für sie guter Sex ist. Was antwortet Ihr? Schreibt an bettgeschichten@neon.de

Dieser Text ist in der Ausgabe 08/15 von NEON erschienen. Hier können Einzelhefte des NEON-Magazins nachbestellt werden. Alle Ausgaben seit September 2013 gibt es auch digital in der NEON-App. Eine Übersicht aller »Bettgeschichten« findet ihr hier.

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