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Liebe Bettgeschichten: Happy End

Liebe: Bettgeschichten: Happy End
Seit einem Jahr sucht unser Autor Antworten auf die Frage: Was ist guter Sex? Zum Ende seiner Kolumne hat er das Gefühl, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Text: Sascha Chaimowicz | Illustration: Samuel Nyholm

Die letzte Folge möchte ich mit einem Geständnis beginnen: Ich war zu Beginn, vor gut einem Jahr, skeptisch, ob ich diese Kolumne überhaupt schreiben sollte. Denn vieles von dem, was in deutschen Zeitschriften über Sex geschrieben wird, nervt mich. Vor allem weil ich viele der Texte reißerisch und übertrieben finde. Irgendwie gibt es wenig Leute, die glaubwürdig über Sex schreiben.

Das liegt auch daran, dass es wenig Menschen gibt, die authentisch über Sex reden. Für diese Kolumne wollte ich mit echten Menschen über ihre echten Erfahrungen sprechen, über Katastrophen und Höhepunkte und vor allem den Alltag. Es ging mir weniger um wilde Swingerstorys als um Normalität: Ich traf einen Mann, dessen Oberarme nach zwei, drei Minuten in der Missionarsstellung zu zittern beginnen, weil das Abstützen auf der Matratze eben anstrengend ist. Ein Paar, das es sich nach Jahren nur noch mit der Hand macht, weil das unkomplizierter ist für die beiden. Eine Frau, die nur aus Mitleid mit unsicheren Männern stöhnt und den Sex trotzdem genießt. Unter jeder Folge stand eine E-Mail-Adresse: bettgeschichten@neon.de.

Dutzende Menschen schrieben mir auf einfühlsame, reflektierte Weise über ihr Intimleben und beantworteten die Frage, was guter Sex für sie bedeutet. Oft kommentierten sie auch Texte, die sie gelesen hatten, einmal meldete sich ein Arzt, der einem Protagonisten mit Erektionsproblemen helfen wollte. Mich überraschte nicht nur die Anzahl der Zuschriften, sondern auch der Ton, das Vertrauen, das herrschte. Diese Nachrichten geben mir das Gefühl, dass es ein Bedürfnis gibt, auf eine andere, vielleicht ruhigere Art über Sex nachzudenken. Allen, die mir geschrieben haben, und allen, die ich interviewen durfte, möchte ich danken.

Wenn man eine Kolumne über Sex schreibt, finden das viele Leute im Freundes- und Bekanntenkreis spannend. Die Frage, die mir am häufigsten gestellt wurde, lautet: Was sind das eigentlich für Menschen, die mit einem Journalisten so offen über ihre Bettgeschichten sprechen? Ein paar Dinge sind mir aufgefallen: Traf ich Paare, waren es eindeutig die Frauen, die mehr sprachen. Die Männer wirkten neben ihren Freundinnen meist schüchtern. Meine Interviewpartner waren keine superselbstbewussten Sexperformer, im Gegenteil. Doch ihr Intimleben war ihnen schon wichtig. Sie mochten Sex. Damit einher ging oft ein generelles Interesse an körperlichen und sinnlichen Beschäftigungen: Sie kochten gerne, gaben sich Mühe bei der Gestaltung ihrer Wohnungen und hatten Hobbys wie Schreinern, Gemüseanbau und Brotbacken. Ein wissenschaftlicher Beleg für einen derartigen Zusammenhang ist meine Kolumne natürlich nicht, aber ich bin mir sicher, dass er besteht.

Ich glaube, die wichtigste Erkenntnis aus meinen Recherchen ist recht simpel: Egal wie gut jemand aussieht und wie souverän oder selbstbewusst jemand auftritt fast alle kennen das Gefühl, unsicher zu sein im Bett. Zwischen dem Ideal-Ich und dem Real-Ich meiner Interviewpartner bestand immer eine Differenz, die sie auch wahrnahmen. Wahrscheinlich war keiner von ihnen wirklich schlecht im Bett und keiner wirklich gut. Fast alle sind wohl ganz okay. Und es ist doch so: Mehr braucht kein Mensch. Denn die Natur hat es angenehmerweise so eingerichtet, dass Sex nicht perfekt sein muss, um Spaß zu machen.

Sascha Chaimowicz fragte jeden Monat Menschen, was für sie guter Sex ist. Für diese Kolumne hat er unsichere, mutige und sehr lustige Leute getroffen. Wir haben viel von ihm gelernt.

Dieser Text ist in der Ausgabe 10/15von NEON erschienen. Hier können Einzelhefte des NEON-Magazins nachbestellt werden. Alle Ausgaben seit September 2013 gibt es auch digital in der NEON-App. Eine Übersicht aller »Bettgeschichten« findet ihr hier.

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