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Politik »Der Klima-Burn-out«

Politik: »Der Klima-Burn-out«
Auf der 21. UN-Klimakonferenz verhandeln über 150 Staats- und Regierungschef über die Zukunft der Klimapolitik. Forscher und Aktivisten aus aller Welt hoffen auf Ergebnisse. Hier erzählen sie uns von ihrer Arbeit, ihren Ängsten und Hoffnungen.

»ICH BEKOMME DROHBRIEFE«


Michael Mann, 49,
amerikanischer Geophysiker und Mitglied des UN-Klimarats IPCC ist auf Fotomontagen im Netz als »Climate Criminal« zu finden.

Gibt es noch immer Menschen, die daran zweifeln, dass der Klimawandel real ist?

»Ja, ich merke das, immer wenn konservative Blogs und Kohlelobbyisten mal wieder Klimaforscher dafür verantwortlich machen, dass fossile Brennstoffe ein schlechtes Image haben. Ich bekomme Drohbriefe. Die alten Kräfte kämpfen mit harten Bandagen und stehen auf verlorenem Posten.«

Wie ernst ist die Lage?

»Wir haben bereits heute so viel CO2 ausgestoßen, dass sich die Erde um 0,5 bis ein Grad erwärmen wird – egal was wir tun. Machen wir weiter wie bisher, werden es vier Grad oder mehr. Die meisten Experten sind sich einig, dass Nahrungsmittelversorgung und nationale Sicherheit dann nicht mehr aufrechtzuerhalten sein werden.«

Und was macht Hoffnung?

»Gesellschaftliche Werte ändern sich erstaunlich schnell. Wer hätte vor fünf Jahren gedacht, dass die USA 2015 die Homo-Ehe legalisieren. Vielleicht passiert das auch bei Klimafragen.«

Politik: »Der Klima-Burn-out«

»UNSERE GESELLSCHAFT GEHT KAPUTT«


Hindou Oumarou Ibrahim, 31,
Aktivistin und Delegationsmitglied der Republik Tschad.

Welcher Satz muss unbedingt im neuen Klimaabkommen stehen?

»Die Länder der Südhalbkugel brauchen Technologien und finanzielle Unterstützung, um die akuten Folgen des Klimawandels abzufedern und sicherzustellen, dass wir in unserer eigenen Entwicklung nicht die Fehler der Industriestaaten wiederholen.«

Wie betrifft der Klimawandel heute deine Heimat?

»Bei uns leben viele Menschen von nomadischer Weidewirtschaft und leiden unter den immer schlimmer werdenden Dürreperioden. Das zerstört die Struktur der Gesellschaft. Die Männer verlassen das Land, um woanders Arbeit zu finden. Die Frauen bleiben alleine zurück.«

Wovor hast du Angst?

»Ich habe schon so viele Versprechen von reichen Ländern wie Deutschland gehört. Und wurde so oft enttäuscht. Hoffentlich kommt es diesmal anders.«

Politik: »Der Klima-Burn-out«

»ICH HABE ANGST, FEHLER ZU MACHEN«


Sönke Kreft, 32,
Teamleiter Internationale Klimapolitik bei der NGO Germanwatch – und bereits ein Veteran der Klimadiplomatie.

Wann hast du realisiert, dass der Klimawandel dein Leben verändern wird?

»Während einer Winterreise durch Europa sah ich einmal Hunderte Rauchsäulen über Häusern, Fabriken und Kraftwerken in der kalten Luft und verstand, wie groß die Transformationsaufgabe ist, vor der wir stehen: Im Jahr 2050 dürfen wir nur noch fünf Prozent der heutigen CO2-Emissionen ausstoßen.«

Wovor hast du Angst?

»Dass ich einen Fehler mache, der die Verhandlungen gefährdet – indem ich etwa eine E-Mail an die falsche Partei schicke oder mich dazu hinreißen lasse, persönlich zu werden. Der Klimavertrag hängt an einem seidenen Faden.«

Wo stehen wir 2030?

»Die Prognosen von heute dominieren die Nachrichtensendungen von morgen. Das ist schlimm. Andererseits steigt so der Handlungsdruck.«

Politik: »Der Klima-Burn-out«

»WIR SIND SO VERWUNDBAR«


Raju Pandit Chhetri, 33,
Mitglied der nepalesischen Delegation bei den Klimaverhandlungen.

Wie betrifft der Klimawandel heute deine Heimat?

»In Nepal gibt es immer mehr Überflutungen, Erdrutsche und Dürreperioden, die unsere Landwirtschaft zerstören. Das Land besteht aus hohen Berggipfeln, Gletschern und engen Tälern wir sind sehr verwundbar durch die Natur. Für mich fühlt es sich so an, als hänge unsere Existenz vom Erfolg des Klimagipfels in Paris ab.«

Warum hast du dir diesen Job ausgesucht?

»Die Klimaverhandlungen finden in einem toughen, politisch aufgeladenen Milieu statt, weshalb ich oft frustriert bin. Aber für mein Land geht es um Leben und Tod. Ich werde alles dafür tun, dass die reichen Länder das endlich verstehen.«

Was macht dir Hoffnung?

»Die Menschen, die mit mir gemeinsam kämpfen; Wissenschaftler, Aktivisten, Unternehmer, Diplomaten und religiöse Führer.«

Dieser Text ist in der Ausgabe 12/15 von NEON im Beitrag »Unser Job? Weltuntergang!« erschienen. Hier können Einzelhefte des NEON-Magazins nachbestellt werden. Alle Ausgaben seit September 2013 gibt es auch digital in der NEON-App.

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