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Freizeit Pixelpropaganda

Vor den eigentlichen Film bekommt der Kinobesucher zahlreiche Trailer präsentiert
Vor den eigentlichen Film bekommt der Kinobesucher zahlreiche Trailer präsentiert
Trailer verraten inzwischen fast die gesamte Filmhandlung. Wir schimpfen. Und wollen es doch nicht anders. Oder?

Text: Lisa Goldmann | Foto: Cultura / Plainpicture, Joe Stevens / Corbis, AP / picture-alliance, Electronic Arts Inc.

Schon mal im Kino gesessen und während der Trailerphase vergessen, welchen Film du sehen willst? Kann passieren. Denn die Vorschauen sind inzwischen so lang, intensiv und detailreich, dass man das Gefühl bekommt, zwei Komödien und drei Actionkracher intus zu haben, bevor der Hauptfilm beginnt. Cineastisches Erschöpfungssyndrom.

Um Zuschauer, die die große Leinwand immer öfter im Wohnzimmer an die Wand beamen, ins Kino zu locken, bombardiert die Filmindustrie sie mit immer mehr immer vollgepackteren Trailern und Teasern. Aus dem alten Programmhinweis ist in den vergangenen Jahren eine eigenständige Kunstrichtung und ein großer Markt geworden. Und das verändert auch unser Verhältnis zu den Filmen selbst. Oft beginnt die Pixelpropaganda, wie bei »Star Wars: Episode VII« (seit 17. Dezember 2015) oder »Die Tribute von Panem Mockingjay Teil 2« (seit 19. November 2015), mehr als ein halbes Jahr vor dem Filmstart. Die Methode: ein ausgetüfteltes Wechselspiel aus Verknappung und Verführung. Auf der einen Seite werden Filmsets abgeriegelt, Schauspieler müssen Verschwiegenheitserklärungen unterschreiben. Andererseits erfährt man im Vorfeld mehr über Figuren und Handlung eines Films als je zuvor.

Der Trailer wird zum Spoiler

Der erste »Mockingjay«-Clip erschien am 18. März und enthielt nur das Logo und Soundbites. Bald folgten Clips mit martialischen und pathetischen Bildern, an denen Leni Riefenstahl ihre Freude gehabt hätte. Der erste Trailer wurde dann am 9. Juni veröffentlicht und war gut zwei Minuten lang. Inzwischen gibt es neun Trailer und Clips, bei »Mockingjay Teil 1« waren es am Ende achtzehn. Wenn man alle gesehen hat, fragt man sich, ob es sich noch lohnt, ins Kino zu gehen.

Filme haben heute eine extrem kurze Lebensspanne, das erste Einspielwochenende entscheidet über den Erfolg, das Marketing ist oft so teuer wie die Filmproduktion selbst. Und weil die Studios in Umfragen herausgefunden haben, dass Zuschauer eher eine Eintrittskarte kaufen, wenn sie im Vorfeld viel über die Filmhandlung erfahren haben, wird der Trailer immer mehr zum Spoiler. Aktuelle Beispiele: Die Vorschau von »Jurassic World« enthielt Action-Highlights vom Ende des Films, die von »Terminator: Genisys« nimmt eine unerwartete Figurenentwicklung vorweg. Auch die Regisseure, die meist kein Mitspracherecht bei der Trailerproduktion mehr haben, schimpfen. Colin Trevorrow (»Jurassic World«) und Alan Taylor (»Terminator: Genisys«) klagten kürzlich in »Entertainment Weekly« über die Trailer ihrer Filme.

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Szenen nur für den Teaser

Aus der klassischen Vorschau ist längst ein Minifilm geworden, der der bewährten Drei-Akt-Struktur folgt. In den ersten Sekunden werden die wichtigsten Figuren vorgestellt und emotional belegt. Im zweiten Akt wird der Konflikt eingeführt und zugespitzt, der dritte Akt ist eine schnell geschnittene Montage aus den aufregendsten Szenen des Films, unterlegt mit lauter werdender Musik. Die Schnittfrequenz der Trailer hat sich kontinuierlich erhöht, errechnete das US-Magazin »Wired«: In den 50er Jahren lag sie bei zwölf Schnitten pro Minute, inzwischen liegt sie bei fast vierzig.

»Unsere Planung beginnt oft schon vor den Dreharbeiten«, erzählt Loren Mrkusic, Geschäftsführer von The Dream Factory, einer der vielen Firmen, die sich auf das Schneiden von Trailern spezialisiert haben. Er ist unter anderem verantwortlich für die Trailer von Matthias Schweighöfers »Der Nanny« und dem oscarnominierten Film »Selma«. »Manchmal werden während der Produktion sogar extra Szenen für den Teaser gedreht«, sagt Mrkusic. Bei »Shaun das Schaf« zum Beispiel habe seine Firma ein Skript für den Teaser verfasst, das von den Filmemachern umgesetzt wurde. Aber auch er meint: »Die meisten Trailer verraten wirklich zu viel.«

Oft wartet die Enttäuschung

Die Zuschauer jammern über Spoiler und wollen es aber doch nicht anders. Heute ist niemand mehr bereit, drei Stunden seiner kostbaren Aufmerksamkeit für einen Film zu opfern, ohne die Garantie zu haben, dass es sich lohnt. So verändert sich auch unser Sehverhalten statt im Kino gespannt der Handlung zu folgen, warten wir: auf die Szenen, die wir schon kennen, die Gags, über die wir schon einmal lachen mussten. Wir glauben, genau zu wissen, was wir bekommen. Manchmal geht diese Taktik auf, oft werden wir enttäuscht. Weil zwischen den Highlights aus den Trailern nur langweiliges Füllmaterial kommt oder weil die Chronologie im Trailer so verändert wurde, dass die Handlung eine völlig andere ist. »Man kann auch aus schlechten Filmen einen guten Trailer machen«, sagt Loren Mrkusic.

Und dann ist die Empörung groß: Vor einiger Zeit verklagte eine Frau den Verleih des melancholischen Noir-Thrillers »Drive« mit Ryan Gosling, weil sie nach dem Trailer einen Film im »Fast & Furious«-Stil erwartet hatte.

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Dieser Text ist in der Ausgabe 12/15 von NEON erschienen. Hier können Einzelhefte nachbestellt werden. NEON gibt es auch als eMagazine für iOS & Android. Auf Blendle könnt ihr die Artikel außerdem einzeln kaufen.

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