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Wissen Das Kopfgefühl

Bei schwierigen Entscheidungen sollte man nicht nur auf den Kopf hören
Bei schwierigen Entscheidungen sollte man nicht nur auf den Kopf hören
© Anna Kövecses
Ein Job, der nervt, ein Partner, der nicht der Richtige ist, ein Studium, das langweilt. Es gibt Entscheidungen im Leben, bei denen es richtig wehtut, wenn man merkt, dass sie falsch gewesen sind. Was kann man dann tun? Und wie vermeidet man, dass man in Zukunft noch mal danebenliegt?

Text: Mareike Nieberding | Illustrationen: Anna Kövecses

Ich habe mein Leben verwartet. In diesem Satz steckt eine ganze Existenz. Die Großmutter einer Freundin hat ihn mal ausgesprochen. Seitdem kann ich ihn nicht vergessen. Ich habe mein Leben verwartet. Wie verschwendet. Nur nicht an sich selbst, sondern an andere. Wie oft hatte sie das Essen schon auf dem Tisch, und er kam nicht. Bis er zwei Stunden später wie ein Stein ins Sofa fiel: »Ich war noch ein Bier trinken. Den Blumenkohl kann man doch morgen noch essen.«

Wie viele Enttäuschungen kann ein Satz beherbergen? Welche Ziele hätte diese Frau noch erreichen können, hätte sie ihr Leben nicht einem anderen Menschen untergeordnet?

Entscheidungen fordern heraus

Heute muss niemand mehr sein Leben verwarten, weder Frau noch Mann. Aber Entscheidungen rückgängig zu machen, Wege zu überdenken, Krisen zu bewältigen: Diese Herausforderungen bleiben. Egal, ob man 1930 oder 1990 geboren ist. Was kann man tun, um in sechzig Jahren nicht auch so einen Satz sagen zu müssen? So einen Satz, der einem das Herz zerreißt. Wie findet man heraus, was man will, von sich und vom Leben? Was ist zu tun, wenn man feststellt, dass man mal falsch abgebogen ist? Und wie verhindert man, dass das wieder passiert?

Ich ärgere mich seit nunmehr neun Jahren darüber, dass ich sechs Semester, das sind ja immerhin drei Jahre, mit einem so überflüssigen Studium wie Publizistik verbracht habe. Was ich in dieser Zeit hätte lernen, denken, lesen, sehen können. Die Entscheidung habe ich anhand eines gefühlt tausend Seiten dicken Studienführers von der Berufsberatung gefällt. Mit achtzehn. Weil ich dachte, dass man das so macht. Ich wollte Journalistin werden, also habe ich nachgeschaut, in welchen Studiengangsbeschreibungen das Wort »Journalist« auftaucht. Heute klingt das naiv. Damals erschien es logisch. Vielleicht wäre ich jetzt eine viel erfolgreichere, auf jeden Fall eine viel gebildetere Journalistin, wenn ich auf ein Buch gehört hätte, das links neben dem Studienführer im Regal stand. Ein Bildband über Ernst Ludwig Kirchner, den mir irgendwer mal geschenkt hat, weil in meinem Jugendzimmer ein Druck seines Bildes »Fränzi vor geschnitztem Stuhl« hing, das Ölbild eines beängstigend schönen Mädchens.

Meist überwiegt die Vernunft

Ich schreibe heute über Kunst und Künstler. Nicht nur, aber auch. Aber alles, was ich darüber weiß, habe ich mir selber beigebracht. Angeschaut, gelesen, nachgefragt, zugehört. Immer mit der nervösen Befürchtung, irgendwann ruft jemand in der Redaktion an und sagt: Frau Nieberding, Sie sind überführt. Sie verfügen gar nicht über ausreichend Hintergrundwissen. Dieses Gefühl ist immer da. Wäre das anders, wenn ich damals das Fach gewechselt hätte? Wieso habe ich es nicht getan?

Publizistik zu studieren, das war vernünftig und leicht vermittelbar. Mama, Papa, macht euch keine Sorgen, nach diesem Studium bin ich Journalistin. Steht da jedenfalls im Studienführer. Das war einfacher, als zu erklären, wie ich es hinkriegen wollte, mit sechs Semestern Kunstgeschichte die großen Feuilletons dieses Landes zu erobern. Dass mich das Publizistikstudium meinem großen Ziel keinen Schritt näher bringen würde, wusste ich bereits nach der Einführungswoche, als mir eine Professorin mit breitem schwarzen Samthaarreif erklärte, wie man Daten erhebt und Statistiken taxiert. Hier wollte mir niemand beibringen, was ein guter Text ist. Genauso wenig lernte ich was über die Themen, die mich interessierten. Nur unglaublich langweilige Empirie und Medienwirkungsforschung. Getan habe ich trotzdem nichts.

Ich habe Vorlesungen besucht.

Ich habe Hausarbeiten geschrieben.

Ich habe für Klausuren gelernt.

Ich habe meine Scheine gemacht. Alle.

Ich habe die Bachelor-Urkunde abgeheftet.

Ich habe mein Studium verwartet.

Mut zu richtigen Entscheidungen

Und dafür gibt es heute keine Entschuldigung. Die Hölle, das sind die anderen, hat Sartre mal geschrieben, weil die Freiheit des Menschen nicht von Gott eingeschränkt wird, sondern von den Mitmenschen. Den Eltern, Verwandten, den gesellschaftlichen und sozialen Zwängen. Früher war der soziale Status eines Menschen sehr statisch. Einmal Bauernsohn: immer Bauernsohn. Einmal Anwaltsspross: immer Anwaltsspross. Die Dynamik der modernen Biografien und Milieus hat das verändert. Gehen wir doch einmal davon aus, dass die weitverbreitete Annahme stimme, jeder sei heute frei und habe die Chance, alles zu erreichen. Das hieße im Umkehrschluss, dass er es nicht besser verdient hat, sollte er seine Ziele nicht erreichen. Wir allein sind dafür verantwortlich, das Glück zu finden. Die Hölle, das sind wir.

Ja, wir könnten auch ein Porridge-Café in Portland eröffnen, wenn wir das wirklich wollten. Aber eigentlich steht das doch gar nicht zur Debatte. Uns versperrt kein Meer an Möglichkeiten den Weg zu den richtigen Entscheidungen, sondern ein Mangel an Mut. Auch uns selbst gegenüber. Ich war damals zu stolz, mir einzugestehen, dass ich mich falsch entschieden hatte. Dass ich zwar am richtigen Ort war, der Universität, mich aber die halbe Woche mit den falschen Dingen beschäftigte. Meine Devise hieß: Augen zu und durch. Wie wertvoll diese Jahre sind, in denen man alles tun und lernen kann, was man will, weil man sich in einem geschützten Raum zwischen Jugend und Erwachsenwerden befindet, merkt man erst, wenn sie vorbei sind. Ich wollte keine Abbrecherin oder Aufgeberin sein. Ich wollte meine Ruhe und mich nicht erklären müssen. Und ich fand meine Kommilitonen cool, die auch alle Journalisten werden wollten und dann doch in der PR-Branche landeten, sie wirkten irgendwie lässiger als die Kunstgeschichtsstudenten.

Ich hätte einen Arschtritt gebraucht.

Oder jemand hätte mich anschreien müssen, so wie der Schauspieler Shia LaBeouf, von dem ein Motivationsvideo im Netz zirkuliert, das eigentlich ein Kunstprojekt ist: Do it! Just do it! Yesterday you said tomorrow! What are you waiting for?

Ja, worauf?

Das Entweder-oder ist einem Alles-ist-möglich gewichen. Man soll heute alles wollen und machen. Man soll sich selbst verwirklichen, aber bitte auf eine sinnvolle Art und Weise, sodass auch noch andere etwas davon haben. Fleißig, aber selbstbestimmt, immer erreichbar, aber kein Sklave der Informationsgesellschaft, gut ausgebildet, aber kein Fachidiot. Abends Yoga, Kickboxen, Freunde treffen, ein oder zwei, aber bitte keine drei Gläser Wein trinken, Sex und dann ins Bett. Am nächsten Tag heißt es wieder: Alles auf Anfang.

Wissen: EINFACH MAL LOSLASSEN: Das Einzige, was schlimm daran ist, eine einmal getroffene Entscheidung zu korrigieren, ist, dass man offenbaren muss, dass man nicht perfekt ist.
EINFACH MAL LOSLASSEN: Das Einzige, was schlimm daran ist, eine einmal getroffene Entscheidung zu korrigieren, ist, dass man offenbaren muss, dass man nicht perfekt ist.

Ist das ein Traumleben? Oder sind wir mit diesem Lebenskonzept der wartenden Oma nicht viel näher als dem freien, aufgeklärten, weit gereisten Menschen, der wir sein wollen? Gibt es einen vernünftigen Weg, wie man dem Traumleben zumindest auf die Schliche kommen kann? Die Coachingbranche hat die Selbstoptimierung in den vergangenen Jahren zu einer Industrie gemacht und will uns ein Lebensnavigationsgerät verkaufen: Eine populäre Methode heißt Smart.

Coaches empfehlen die Smart-Methode

Der Homo oeconomicus, so der deutsche Philosoph Eduard Spranger 1914, sei ein Wesen, das »in allen Lebensbeziehungen den Nützlichkeitswert voranstellt«; total vernünftig, unabhängig von Religion und Ideologie. Früher mit Pro-und-Kontra-Liste ausgestattet, verlässt der Vernunftmensch sich heute auf die Algorithmen. Oder auf einen Life-Coach, der mithilfe der Smart-Methode versucht, die richtigen Ziele zu definieren. Das Akronym Smart steht für: spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch, terminiert. Ausgedacht haben es sich 1968 die Wirtschaftswissenschaftler Edwin Locke und Gary Latham an der Robert H. Smith School for Business an der Universität von Maryland. In einer Zeit, in der einerseits ein Psychologe namens Frederick Herzberg die Idee der Selbstverwirklichung durch Arbeit entwarf, um in den Unternehmen die Kosten niedrig und die Produktivität hoch zu halten, und in der andererseits die Hippiebewegung mit ihrer friedliebenden Achtsamkeit unser heutiges Persönlichkeitsideal begründete. Diese beiden gesellschaftlichen Bewegungen, die ganz unterschiedliche Zwecke verfolgten, sind die ungleichen Urahnen unseres modernen Selbstverbesserungszwangs. Mit der Smart-Theorie, so Locke und Latham, ist es möglich, Ziele so zu definieren, dass der Mensch gar nicht anders kann, als zu handeln - eine produktive Selbstmanipulation. Die wichtigste Voraussetzung dafür ist, dass die Ziele herausfordernd und gleichzeitig präzise sind. Für einen Chef würde das bedeuten, dass er seinem Mitarbeiter genau sagt, was er bis wann erledigt haben soll, anstatt ihn anzufeuern, heute einfach nur sein Bestes zu geben. Ein Ziel ist nur dann richtig gesteckt, wenn es überprüfbar ist und anspruchsvoll genug, um dauerhaft zu motivieren. Dann kann man sein Leben angeblich einfach abarbeiten wie eine To-do-Liste. Check, check, check.

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Können Ratgeber weiterhelfen?

Blöd nur, wenn man seinen Zielen trotzdem nicht näherkommt, weil man zum Beispiel eine falsche Entscheidung getroffen hat, die einen bindet an eine Beziehung, an einen Arbeitsplatz, an ein Studium. Eine Entscheidung, die so groß ist, dass man sie nicht mit einem Anruf oder einer E-Mail wieder rückgängig machen kann. Wie erklärt man dem Menschen, den man liebt, dass das mit der gemeinsamen Wohnung zwar eine schöne Idee war, aber dass man jetzt, wo alles eingerichtet ist, vielleicht doch lieber wieder ausziehen will, weil man sich noch zu jung dafür fühlt, das Leben seiner Eltern zu führen. Wie findet man heraus, dass man gerade auf dem besten Weg ist, sein Leben zu verwarten?

Die vielen Bestsellerratgeber zu dem Thema sind jedenfalls nicht sehr ratsam. Liebe dich selbst! Wie es in den Wald hineinruft, so schallt es auch wieder hinaus! Sei geduldig! Am Ende wird alles gut. Diese Psycho-Faustregeln stehen vorne auf unseren Notizbüchern oder auf den Tassen, die deshalb keiner mehr benutzt, weil nichts trauriger ist, als sich von einem getöpferten gepunkteten Gegenstand sagen zu lassen, wie man sein Leben leben soll; sie zieren T-Shirts oder die Startseiten von Medien wie »Edition F« und »Business Insider«, die solche immer gleichen Lebensweisheiten Tag für Tag in neue Artikel pressen.

Mich haben diese Aphorismenschleudern immer abgeschreckt. Auch weil sie einem genau das nahelegen, was ich getan hab: nämlich durchhalten. Man kann sein Leben aber nicht mit zusammengebissenen Zähnen leben und darauf warten, dass irgendwann schon irgendwie alles gut wird. Ich hätte damals einfach alles hinschmeißen sollen. Auf die Fresse fliegen, Reset, von vorne. Was hätte mich das gekostet? Ein paar unangenehme Unterhaltungen zu Hause, ein paar Wochen voller Zweifel, vielleicht ein Gang zur psychologischen Studienberatung. »Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar«, hat Ingeborg Bachmann geschrieben. Diese These sollte man wohl öfter testen, wahrscheinlich halten Eltern, Lehrer, Partner und Freunde viel aus, wenn sie müssen.

"Unser Gehirn ist der Boss"

Glaubt man dem Berliner Neurowissenschaftler John-Dylan Haynes, haben wir aber ohnehin viel weniger mit den Entscheidungen zu tun, die wir treffen, als wir glauben. Unser Gehirn ist der Boss: »In dem Moment, wo Sie sich selber sagen: ›Jetzt entscheide ich mich!‹, hat Ihr Gehirn die Entscheidung schon vor zehn Sekunden gefällt.« Haynes steckte seine Probanden in den Kernspintomografen und bat sie, entweder mit der linken oder der rechten Hand einen Knopf zu drücken. Dazu zeigte er ihnen Bilder von Buchstaben, so mussten sie sich nur merken, welcher Buchstabe im Moment der Entscheidung eingeblendet war. Haynes analysierte zur selben Zeit ihre neuronalen Aktivitätsmuster und fand heraus, dass eine Kaskade von unbewussten Prozessen anfängt, eine Entscheidung vorzubereiten, lange bevor sie in unser Bewusstsein vordringt. Das heißt, bevor wir wissen, was wir wollen sollen, weiß unser Gehirn schon, was wir wollen müssen. Ohne Pro-und-Kontra-Liste, Algorithmus oder Punktesystem. Das Unbewusste, so Haynes, werbe dann bei unserem Bewusstsein für diese komplexen Entscheidungen. Auf einmal erscheint es total vernünftig, sich für den Mann zu entscheiden, gegen den eigentlich alles spricht. Oder gegen den Studienabbruch, der einem kostbare Zeit und eine neue Perspektive bieten würde. Die Vernunft wäre demnach der Biologie untergeordnet. Sind wir alle Sklaven der Chemie in unserem Kopf? Oder können wir einen Zugang zu diesem Unbewussten finden und es steuern?

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Gerd Gigerenzer, Psychologe, Abteilungsdirektor am Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, glaubt zumindest, dass man sich das Gehirn im Alltag mehr zunutze machen sollte: »Ich habe nichts gegen Logik. Das Problem ist nur, dass wir bei all der Kopfarbeit zu oft unseren Bauch vergessen, unsere Intuition, die uns vielleicht eine bessere Lösung präsentieren würde.« Das Vertrauen in die Vernunft sei ein Relikt aus der patriarchalen Vergangenheit, in der man die Intuition der Erfahrungswelt der Frau zurechnete und allzu oft als weiblichen Firlefanz abtat. Aber diese Zeiten sind vorbei. Denn das, was wir im Deutschen irreführenderweise als Bauchgefühl bezeichnen, ist laut Gigerenzer eigentlich viel mehr als eine dumpfe Empfindung.

Intuition hilft bei Entscheidungen

Psychologen verstehen die Intuition als Summe aller Erfahrungen, die ein Mensch gemacht hat, eine Art riesige individuelle Datenbank, die das Gehirn je nach Situation innerhalb weniger Millisekunden durchforsten kann, um die richtige Entscheidung zu treffen. Die Altersweisheit ist also gar kein Klischee. Jedes neue Erlebnis, jede neu gewonnene Erinnerung hilft uns, radikaler zu werden, souveräner, und sie entfernt uns auch von alten Bindungen. Je mehr wir über uns selbst wissen, desto weniger müssen wir uns auf andere verlassen. Auf Eltern oder größere Geschwister. Auch das Gehirn wird also erwachsen. Nur ist dieses gefühlte Wissen schwer mit Sprache beschreibbar. Kein Surfer kann erklären, warum er dazu in der Lage ist, eine Welle zu reiten, von der er nicht weiß, wie sie sich verhalten wird. Es klappt einfach.

»Je nachdem, wie ein Mensch aufgewachsen ist, was er gelernt und erlebt hat, hat er für bestimmte Dinge gute Intuitionen und für andere weniger gute«, erklärt Gigerenzer. Das heißt, je mehr man über etwas weiß, je mehr man erlebt hat, desto bessere Entscheidungen kann man treffen. Man kann sein Bauchgefühl, das Insichhineinhorchen trainieren. Wie ein Kampfpilot, der einen Großteil seines Berufslebens nicht im Kampfgebiet, sondern im Flugsimulator oder auf Manövern verbringt. Nach jedem Flug ist sein Gehirn weniger angestrengt. So hat er im Ernstfall Reserven, um spontan reagieren zu können. Wie der Pilot der US-Airways-Maschine, der das Flugzeug entgegen allen Vorschriften vor sieben Jahren in den Hudson River lenkte und damit alle 155 Passagiere vor dem Tod bewahrte. Auch er war früher Kampfpilot. Das lässt sich auf andere Lebensbereiche übertragen: Wer schon viele Bewerbungsgespräche hinter sich gebracht und Routine im Umgang mit Personalern hat, kann umso mehr auf seine Intuition vertrauen.

Auf das eigene Bauchgefühl hören

Die Psychologie rät: Hab den Mut, dich deines eigenen Bauchgefühls zu bedienen. Es weiß mehr über dich, als du denkst. Das klingt erst mal ein bisschen esoterisch, lässt sich aber auch an körperlichen Merkmalen ablesen. Läuft etwa bei einem Personalgespräch etwas schief, benimmt sich unser Gegenüber in unseren Augen wie jemand, mit dem wir schon mal schlechte Erfahrungen gemacht haben, das Gehirn erkennt dieses Muster und sendet Alarmsignale wie schwitzige Hände, Herzrasen oder Übelkeit. Nicht jeder Schweißausbruch sollte dazu führen, dass wir die Flucht ergreifen. In solchen Momenten macht es laut Gigerenzer Sinn, den Kopf einzuschalten, um abzuwägen, welche Risiken man eingehen sollte, ob es sich eventuell lohnt. Jedenfalls, wenn es das Ziel ist, sich mit einem Job gut zu fühlen. Was noch lange nichts darüber sagt, ob man damit auch das große Geld verdienen kann.

Ich bereue nichts, sang Edith Piaf vor mehr als fünfzig Jahren. Diese Haltung ist heute weit verbreitet. Reue ist unmodern geworden, weil man zugeben muss, einen Fehler gemacht zu haben. Reue ist aber wichtig. Weil man sich mit sich selbst auseinandersetzt und im besten Fall vermeidet, bei der nächsten Kreuzung wieder den leichtesten Weg zu gehen. Mein Gefühl sagte mir damals: Eigentlich solltest du was anderes studieren, aber so schlimm wird es auch nicht sein. Falsch! Unsere Intuition ist rationaler, als wir denken. Mein Verstand war damals feige und bequem. Und es ärgert mich, dass ich es damals habe geschehen lassen, statt meinem Kopf mal einen kräftigen Arschtritt zu geben.

Dieser Text ist in der Ausgabe 02/16 von NEON erschienen. Hier können Einzelhefte nachbestellt werden. NEON gibt es auch als eMagazine für iOS & Android. Auf Blendle könnt ihr die Artikel außerdem einzeln kaufen.

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