Editorial von Marco Maurer, Autor
Wenn wir über unsere Liebe reden, tun wir das mit Menschen, die uns nahestehen. Es ist eine intime Situation; da hat keiner mitzuhorchen. Unsere persönlichen „Songs of Love and Hate“, um Leonard Cohen zu zitieren, vertrauen wir nur Menschen an, denen wir unser Innerstes auch wirklich preisgeben wollen: unseren Partnern und unseren Freunden, vielleicht unserer Familie. Doch der Auftrag für NEON war nun ein anderer: Zwei Autoren, die sich noch nie begegnet sind, tauschen sich darüber aus, ob man sich am Anfang einer neuen Beziehung verstellen oder offen zu seinen Eigenheiten stehen sollte.
Dafür brauchte es eine Frau, unsere Autorin Mareike Nieberding, und einen männlichen Part, mich. Nun habe ich wenig Probleme, mein Ich für eine Geschichte zu benutzen; etwa wenn etwas in der Gesellschaft falschläuft. Der Satz „Ich liebe dich“ gehört meines Wissens nicht dazu. Er ist nur wichtig für mich und eine zweite Person. Daher zweifelte ich, ob ich diese Geschichte angehen soll.
Ich musste für sie eine andere Philosophie finden. Ich bediente mich eines Tricks und besann mich aufs Schreiben. Das tut man nur für sich und mit sich selbst, ist dadurch offener. Was ich allerdings vergessen hatte: Mareike Nieberding, mein Autorinnen-Gegenüber, gibt es ja auch. Daher beschlossen wir: „What happens in Google Docs stays in Google Docs“, erst dann wird es den Kollegen vorgelegt. Nun könnt ihr unseren Gedankenaustausch lesen. Auf ihn angesprochen werden würde ich dennoch ungern.
Meine persönliche Leseempfehlung für diese Ausgabe ist ein Text über Polen von unserem Redakteur Jurek Skrobala. Dort taucht auch ein Ich auf; es ist ein wichtiges Ich – es erzählt von der Beziehung meines Kollegen zu seinem Heimatland. Dafür gibt es ein Wort aus zwei Gefühlen: Hassliebe.
Viel Spaß beim Lesen!
