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Wissen „Eine wirklich tolle Scheitergeschichte ist Bombe!“

Bewerbungsfoto
Womit kann eine Bewerbung heute punkten? Und wie sieht ein guter Lebenslauf aus?
Was sind die allerschlimmsten Fehler in Lebensläufen? Gilt: Je authentischer, desto besser? Wann sollte ich ganz ehrlich sein – und wann spare ich mir das lieber?

Personalerin Meike Runschke spricht über Lücken im Lebenslauf und Bewerbungen in Tortenform

Interview: Anne Backhaus

Frau Runschke, was an einem Lebenslauf kann sie heute noch begeistern?
Eine wirklich tolle Scheitergeschichte ist Bombe!

Was macht gescheiterte Menschen denn so interessant?
Es ist nicht das Scheitern an sich, sondern, wie derjenige damit umgeht. Ich würde nie sagen: Der Kandidat hatte keine Krise im Leben – wie langweilig! Jemand, der eine gute Schulausbildung hat, der ein Jahr gereist ist, die Uni durchgezogen und die richtigen Praktika gemacht hat, verspricht, unkompliziert und fähig zu sein. Trotzdem suchen wir auch explizit nach schrägen Menschen. Die artigen und glatten sind insbesondere im kreativen ­Bereich nicht zwangsläufig die ­besten.

Kann es sich lohnen, Lücken im Lebenslauf nicht zu vertuschen?
Wenn ich fünfzig Bewerbungen gelesen habe und mich danach einer fragt: Wie findest du Tim Meyer?, dann ­frage ich: Welcher war das? Die Antwort darauf ist entscheidend. Niemand sagt: Ach ja, Tim war doch der, der so toll im Team arbeitet, ­ehrgeizig ist und perfektionistisch. Ich persönlich finde denjenigen Tim interessant, der seinen letzten Job an die Wand gefahren, dann pausiert hat und deshalb weiß, welche Qualitäten er eigentlich mitbringt. Das muss natürlich nicht für andere Personaler gelten und kann in konventionellen Unternehmen durchaus anders sein.

Woher weiß ich als Bewerber, wann und ob Ehrlichkeit angebracht ist?
Es gibt sehr viele Möglichkeiten, Antworten zu geben, und Bewerber sollten sich mehr Gedanken darüber machen, was eigentlich die Frage ist. Einen tollen Job macht ja nicht nur das Gehalt aus, sondern vor ­allem, ob man dazu passt. Ich ­suche in Lebensläufen nach Kern­kompetenzen, nach Werten und Erfahrungen, die zu unserer Agentur passen.

Gilt für Sie: Je authentischer, desto besser?
Dieses Sei-bloß-echt-und-lüge-nicht muss gar nicht die Devise sein. Mich interessiert es, einen wirklichen Eindruck von den Zielen und der Persönlichkeit eines Bewerbers zu bekommen. Viele können leider überhaupt nicht aufschreiben, was sie umtreibt, und sind völlig verkrampft. Das ist schade, weil das oft spannende Menschen sind. Wenn man schon immer ­wusste, was man machen will, ist das toll – aber es gibt eben sehr viele Leute, bei denen das nicht so ist. Das muss überhaupt nicht schlecht sein.

In konservativeren Branchen sieht das aber anders aus, oder?
In manchen Berufen bestimmt. Mediziner sollten schon seriös auftreten. Schaue ich mir aber zum Beispiel den Bankensektor an, sehen die Angestellten dort oft noch so aus wie vor Ewigkeiten. Veränderung könnte da sicher guttun. Die Arbeitgeber sollten auch mal überlegen, wie sie eigentlich neue junge Kunden gewinnen können. Denn die vertrauen vielleicht eher jemandem, der ihnen ähnlicher ist. Bei ­Friseuren ist ja inzwischen das Auftreten auch total anders als noch vor zehn Jahren. Die sind jetzt gern mal tätowiert und kahl geschoren.

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Was geht denn gar nicht in einem Lebenslauf?
Die schlimmsten Fehler: mangel­hafte Rechtschreibung. Und wenn ein Bewerber den Ansprechpartner verwechselt. Dafür braucht man kein Talent, sondern schlicht Sorgfalt. Es hilft mir auch nicht, wenn jemand als Bewerbung eine Marzipantorte in Form des Firmenlogos abgibt.

Und was macht einen Lebenslauf für Sie zusätzlich interessant?
Inzwischen kündigen ja einige per Youtube, aber für Bewerbungen ­werden die digitalen Möglichkeiten noch zu wenig genutzt. Egal ob das nun ein Reisetagebuch oder ein Facebook-Account ist; man kann sich auf viele Arten über den Lebenslauf ­hinaus präsentieren. Oft ist es auch unglaublich interessant, welche Blogs ein Bewerber liest – und im Zweifel spannender als die Hobbys Lesen und Sport.

Meike Runschke (früher: Friedemann), 41, hat als Hotelfachfrau angefangen. Eigentlich wollte sie Schauspielerin werden. Heute ist sie Head of Talent Management bei der Werbeagentur Jung von Matt. Ein langer Weg – den sie nicht bereut. Ihren ersten Lebenslauf findet ihr hier.

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Dieser Text ist in der Ausgabe 08/2016 von NEON erschienen. Hier können Einzelhefte nachbestellt werden. NEON gibt es auch als eMagazine für iOS & Android. Auf Blendle könnt ihr die Artikel außerdem einzeln kaufen.

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