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Freizeit Interview mit den Beginnern: „Man muss sich auch mal erlauben, vierzig zu sein“

Die Hamburger Hip-Hop-Gruppe "Beginner"
Die Beginner schafften ihren Durchbruch 1998 mit dem Album "Bambule"
© Nils Mueller/Universal Music, Thomas Meyer/action press
Für Rap fühlen sich die Beginner noch nicht zu alt, haben aber ihre Probleme mit Snapchat.

Interview mit dem Hip-Hop-Urgestein "Beginner"

Die Beginner sind hungrig. Sie sitzen schon den ganzen Tag in einem schicken Hotel in Berlin-Mitte: Interviewmarathon zum neuen Album. Ah, die Speisekarte! Erst bestellen, dann Fragen beantworten.

Auf eurer Single „Ahnma“ rappt Eizi Eiz: „Jeder, den du kennst, kennt eine meiner Lines.“ Welche Lines würdet ihr heute am liebsten aus dem kollektiven Gedächtnis löschen, weil sie euch so peinlich sind?
Eizi Eiz (Jan Delay): Gott sei Dank sind die meisten davon aus den 90ern und deshalb gut versteckt unter dem Mantel der Verschwiegenheit. Aus jener Zeit reiht sich eine peinliche Line an die nächste: „Der Eißfeldt ist am Mikrofon / Und schießt mit gereimter verbaler Munition / Er …“

DJ Mad: Reicht. Reicht!
Denyo: Meine ersten Lines waren auf Englisch: „I got a little story about some fucking white kids / We got trouble with them …“
Eizi Eiz: „… and that stupid racist“, ne? „We got angry about them, I took out my knife.“

Gangsta-Rap vom Feinsten.
Denyo: Ey, come on, ich wusste damals noch nicht, wer ich bin. Ich dachte, ich wäre Eazy-E von N.W.A.

Wann besserten sich die Lines?
Eizi Eiz: Vor zwanzig Jahren, auf einen Schlag. Wie es in unserem neuen Track „Es war einmal“ heißt: „Denn in Deutschland ging so viel zu der Zeit / Die Sprache lernte rollen und die Beats wurden tight.“

Woran lag das?
Eizi Eiz: Zwischen 1996 und 1997 haben wir gecheckt, dass unser Dialekt, unser Slang, rollt. Dass die Wörter, die wir vorher immer benutzt hatten, einfach nicht entertainen.Wir haben damals ein neues Selbstverständnis für unsere eigene Sprache entwickelt.

DJ Mad: Diese Erweckungsphase konnte man damals gut bei uns in Hamburg, im Eimsbush-Keller, sehen: Samy Deluxe räumte da handwerklich alles ab, hob aber die Augenbraue, wenn Dendemann einen seiner krass durchdachten Texte lieferte. Und der guckte sich wiederum den fluffigen Style von Das Bo ab. Konstruktive Konkurrenz.
Denyo: Die deutsche Rapgeneration von heute ist mit der alten, also auch mit uns, aufgewachsen. Das heißt, die fangen an einem ganz anderen Punkt an. Jeder kann heute das Niveau, das wir uns Ende der 90er erarbeitet hatten, rausscheißen. Heute gibt es also noch mal ein ganz anderes Level an Wortwitz und Flow.

Im neuen Song „Es war einmal“ blickt ihr nostalgisch auf die alten Zeiten zurück, in „Spam“ kritisiert ihr die digital geprägte Gegenwart. Das klingt nach „Früher war alles besser“.
Eizi Eiz: Nein. Wir schließen uns ja nicht aus dem aus, worüber wir da rappen. Wir haben auch eine Facebook-Seite und twittern. Aber in dieser Netzwelt, in der wir uns alle bewegen, ist nun mal nicht alles koscher, vieles sogar gefährlich. Weil vieles an Substanz verliert. Alles viel zu schnell, von allem zu viel.

Kommt ihr bei Snapchat mit?
Denyo: Ich habe mir da jetzt einen Account erstellt. Aber ich weiß nicht, wie das geht.
Eizi Eiz: Geht mir genauso. Man kann nirgendwo draufdrücken und nichts von den anderen sehen. Das ist so: Hä?
Denyo: Man ist dann eben auch mal überfordert. Mit „Spam“ wollen wir sagen: Man sollte sich selbst auch kritisch beäugen bei dem, was man so alles im Netz nutzt und macht. Das soll überhaupt nicht hängengeblieben rüberkommen. Andererseits muss man sich auch mal erlauben, vierzig zu sein.

Wie bekommt ihr mit, worüber die Kids von heute auf den Schulhöfen reden?
Eizi Eiz: Ich habe Kinder.
DJ Mad: Dennis und ich legen auf.
Eizi Eiz: Auf Schulhöfen.
DJ Mad: Klar, auf Schulhöfen. Nein, in Clubs natürlich. Dabei ist mir aufgefallen: Wir sind immer älter geworden, unser Publikum ist aber nicht gealtert. Um vor denen abliefern zu können, musst du den Zeitgeist kennen. Das hält frisch in der Birne. Ich wäre gar nicht so glücklich damit, wenn heute noch alle den 90er-Jahre-HipHop feiern würden.

Kann man eigentlich zu alt sein für Rap?
DJ Mad: Gute Frage.
Denyo: Nein. Schlechte Frage, finde ich.
Eizi Eiz: Doch, doch. Ganz berechtigte Frage.
Denyo: Es ist absolut alles möglich. Natürlich stellt man sich die Frage: Wie kann man es mit vierzig noch schaffen, diese naive Kraft zu entwickeln, die HipHop innewohnt? Oder dieses Schwarz-Weiß-Denken: „Ich bin nicht scheiße. Ich bin geil!“ Mit vierzig weiß man eben, dass die Welt so nicht funktioniert. Niemand ist einfach nur scheiße oder einfach nur geil. Aber genau diese Erkenntnis kannst du dann zum Thema eines neuen Texts machen.

Eizi Eiz: Dadurch, dass Amiland uns, was HipHop angeht, zig Jahre voraus ist, haben wir einen tollen Spiegel. Vor über fünf Jahren konnte man darin schon sehen: Jay Z ist vierzig und macht eine neue Platte – fett. Jay Z ist vierzig und trägt immer noch Cap und Turnschuhe – fett. Das kommt hier langsam auch an, dass zum Beispiel Fans, die ihr Leben lang HipHop gehört haben, ihr Wissen an ihre Kinder weitergeben, ihnen Rap vorspielen und Turnschuhe kaufen. Es ist geil, zu sehen, dass für alle Generationen was dabei ist: Magazine für Grown HipHop, aber auch Kinderserien, die sich mit Rap befassen.
Denyo: Jeder hört heute HipHop.

Nicht nur die Kinder, sondern auch die Eltern, die sie abholen.
Eizi Eiz: Ja, aber die streiten sich dann natürlich. Was der Vater hört, finden die Kinder scheiße und sagen: „Alter, check doch mal das!“
DJ Mad: Es läuft eben nicht mehr nach dem Motto: Wenn du erwachsen bist, dann hörst du Rock ’n’ Roll. Zum Glück. Früher wurden wir als HipHopper immer so ein bisschen belächelt: „Das ist doch Kinderkram.“ Heute ist das anders.

Freizeit: Sind inzwischen Fortgeschrittene im deutschen HipHop: Eizi Eiz (Jan Eißfeldt, der als Jan Delay Solokarriere mit Reggae, Soul und Rock machte), Denyo (Dennis Lisk) und DJ Mad (Guido Weiß). Die Beginner aus Hamburg rappen seit 25 Jahren. 1998 gelang ihnen – damals noch als Absolute Beginner – der Durchbruch mit der Platte „Bambule“, die zeitlos WG-Partytaugliches wie „Füchse“, „Liebeslied“ oder „Hammerhart“ enthielt. Am 26. August erscheint ihr neues Album, das nach einer der ersten deutschsprachigen Rapgruppen benannt ist, „Advanced Chemistry“.
Sind inzwischen Fortgeschrittene im deutschen HipHop: Eizi Eiz (Jan Eißfeldt, der als Jan Delay Solokarriere mit Reggae, Soul und Rock machte), Denyo (Dennis Lisk) und DJ Mad (Guido Weiß). Die Beginner aus Hamburg rappen seit 25 Jahren. 1998 gelang ihnen – damals noch als Absolute Beginner – der Durchbruch mit der Platte „Bambule“, die zeitlos WG-Partytaugliches wie „Füchse“, „Liebeslied“ oder „Hammerhart“ enthielt. Am 26. August erscheint ihr neues Album, das nach einer der ersten deutschsprachigen Rapgruppen benannt ist, „Advanced Chemistry“.

Liegt das am Internet, dass HipHop so groß werden konnte?
Eizi Eiz: Klar. Durch das Netz passiert alles viel schneller.

Wie im R&B zum Beispiel beim Kanadier the weeknd, der vom Blog-Hype zum Grammy-Gewinner wurde?
Denyo: The Weeknd ist ein unfassbares Do-it-yourself-Internetphänomen: Mal eben einen Beat machen, auf Soundcloud hochladen und damit innerhalb kurzer Zeit zum Weltstar werden, der dazu noch so innovativen Scheiß am Start hat. Nur: Es gibt auch die Kehrseite davon, den oft sehr trashigen Cloud Rap zum Beispiel. Jeder soll machen, was er will, aber beim Cloud Rap denke ich ständig: Das ist kein Song, sondern schnell produzierter Müll.

Steht das Internet heute mehr für Müll oder mehr für Demokratie?
Denyo: Aus der Sicht eines Do-it-yourself-Begeisterten wie mir bedeutet es natürlich erst mal mehr Freiheit. Es gibt inzwischen unzählige Online-Petitionen, deswegen könnte man sagen: mehr Demokratie. Wenn ein paar Millionen Leute irgendwas unterschreiben, kann sich tatsächlich was drehen. Gleichzeitig gibt es diesen immensen Rechtsruck. Ich habe im Moment das Gefühl, dass mehr Leute Online-Petitionen starten oder ihre Meinung in Foren zum Besten geben, die aus der rechten Ecke kommen. Die spammen alles voll. Die shitstormen jeden noblen Versuch, die Dinge kontrovers oder einfach nur schön zu sehen. Das ist schrecklich.

Auf eurem neuen Album rappst du wiederum: „Jeder hat eine Online-Petition, keiner geht Steine schmeißen.“ Ist Gewalt also besser als ein paar Klicks?
Denyo: Wenn ich so was schreibe, dann übertreibe ich natürlich. Ich würde nie einfach sagen: Steine schmeißen ist besser als eine Online-Petition – auch wenn ich eine romantisch verklärte Erinnerung an meine eigenen Steine habe, früher in Hamburg an der Roten Flora. Was ich meine: Keiner bekommt den Arsch mehr hoch! Jeder spendet ein Like, hat dann sein Gewissen beruhigt und denkt, er könne das jetzt abhaken. Aber so einfach ist es nicht. Es reicht nicht, mal eben bei Facebook was zu kommentieren, irgendeine Meinung zu copy-pasten und sich dann wie ein Experte zu fühlen. Wenn du ein Experte sein willst, dann lies doch erst mal fünfzig Bücher zum Thema.

Apropos Klicks und Gewalt: Seid ihr schon mal, wie die stellvertretende AfD-Bundesvorsitzende Beatrix von Storch angeblich, auf der Computermaus abgerutscht?
Eizi Eiz: Meine Zunge rutscht ständig aus. Damit bin ich für mein Leben gesegnet. Das hat mich eben auch dahin gebracht, wo ich jetzt bin. Aber bei der Maus kann das eigentlich nicht passieren, dafür ist zu viel Reflexion nötig. Völliger Schwachsinn, was die von Storch da erzählt hat. Passt aber zu ihrer Partei.

Müssen wir uns Sorgen um die Zukunft machen?
DJ Mad: Das muss man sowieso.
Eizi Eiz: Ja. Punkt.
Denyo: Es gibt aber auch Hoffnung. Immerhin hat sich Angela Merkel mit dem Dalai Lama getroffen.

Dieser Text ist in der Ausgabe 09/2016 von NEON erschienen. Hier können Einzelhefte nachbestellt werden. NEON gibt es auch als eMagazine für iOS & Android. Auf Blendle könnt ihr die Artikel außerdem einzeln kaufen.

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