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Freizeit Das erste Date

Aus dem Leben eines männlichen Escort: Die Illustration der Kolumne mit dem Schriftzug: "Obenrum Untenrum"
Aus dem Leben eines männlichen Escort: Die Kolumne "Obenrum Untenrum"
© Illustration: Mrzyk & Moriceau
Unser Kolumnist Pascal Schaefers erzählt jeden Monat, was ihm in seiner Arbeit als männlicher Escort so alles begegnet.

Illustration: Mrzyk & Moriceau

Wir waren jung, das Geld brauchten wir eigentlich nicht. Trotzdem meldeten wir uns als Escorts an. Mein bester Freund, mein Bruder und ich wohnten zusammen in einem Haus in Frankfurt am Main. Ich und mein bester Freund waren 22, mein Bruder 19, wir hatten Sommersemesterferien und Lust auf Abenteuer. Auf der Internetseite Gayromeo erstellten wir uns alle ein Profil. Ich inszenierte mich als intelligenter Jüngling: „Möchtest du eine gute Zeit mit einem jungen, bisexuellen und attraktiven Studenten verbringen? Ich biete Massagen an, gerne mit Happy End. Und wenn du mir einen blasen möchtest, kannst du das gerne tun!“ Diese Selbstinszenierung schloss Machopornoficker aus, die sich nur ruhigstoßen wollten. Ich fotografierte mich mit nackten Oberkörper, gelehnt an eine Backsteinwand. Das zweite Foto war ein Bild meines erigierten Penis. Mein Preis: 80 Euro. Teurer als der Durchschnitt. Und keine 15 Minuten Dates. Die ersten Nachrichten poppten auf in meinem Postfach: „Hey, ficken?“, schrieben manche. Aber auch: „Du siehst wirklich lieb aus. Darf ich dich heute Abend verwöhnen?“

Erstes Date: Aufregung, Geld und verkrampfte Hände

Die Idee, für Sex bezahlt zu werden, fand ich schon als Jugendlicher aufregend, dieser Handel mit meinem Körper, Sex einen Geldwert zuzustellen, Fremde zu treffen und ihnen eine schöne, intime Situation zu kreieren. In Stadtmagazinen las ich als Erstes immer die Taschengeldanzeigen, wo Männer ihre Dienste anboten.

Vor meinem ersten Date war ich aufgeregt. Ich fuhr mit dem Roller durch den späten Sommerabend, mein Herz schlug schneller. Stefan, 40, war behaart und hatte einen dicken Bauch, ein typischer schwuler „Bär”. Er war aufgeregter als ich, drückte mir sofort die vereinbarten 80 Euro in die Hand. In seinem unaufgeräumten Wohnzimmer, zwischen Bücherstapeln und Wäschebergen, hatte er eine Massageliege aufgestellt, er zog sich schnell aus und legte sich drauf. Ich goss mir mein Lavendelöl in die Hände und begann, seinen 120 Kilo schweren nackten Körper zu massieren. 45 Minuten lang. Ein Kraftakt. Meine Finger verkrampften, immer wieder. Ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen. Währenddessen erzählte Stefan von seiner Frau, die er sehr mochte, mit der er aber keinen Sex hatte, von seinen Erfahrungen (?) mit Escorts oder in Schwulensaunen. Seine Frau wisse davon nichts. Sagte er zumindest. Nach der Massage nahm er mit zitternder Hand meinen Penis in die Hand. Ich setzte mich auf ihn, er leckte meinen Damm. Ich onanierte dazu. Seine Nippel drehte ich immer wieder um 180 Grad. „Komm in meinen Mund“, stöhnte er. Seine aufkeimende Lust macht mich an. Ich spritzte ihm ohne Probleme in den Mund. Überrascht von meiner eigenen Unbeschwertheit und Lust, musste ich grinsen.

Der Berufs des Escorts als Kunstform

Stefan und ich treffen uns noch immer, seit inzwischen acht Jahren. Er arbeitet als Ergotherapeut und bringt mir speziellere Massagetechniken bei. Seine Frau erkrankte an Krebs und starb nach zwei Jahren Leiden. In dieser Zeit sprachen wir viel über sein mögliches Coming-Out – dennoch outete er sich nicht.

Für meinen Bruder und meinen besten Freund endete die Escort-Karriere nach zwei Jahren, wegen der Freundinnen. Sie waren nicht damit einverstanden. Ich selbst sehe meine Rolle als Escort als eine Art Kunstform, so dass ich mir mein Umfeld eingerichtet habe: Wer mit mir sein will, muss mein Escortleben mögen oder zumindest akzeptieren.

Ich genieße dieses ungehemmte Begehren. Insbesondere von Frauen. Jetzt bin ich als Mann das Objekt der Begierde. Auf Gayromeo waren meine ersten Kunden immer Männer. Dann weitete es sich aus: „Entschuldige, mein Profil ist zwar männlich, aber ich bin eine Frau. Ich stehe auf schwule und bisexuelle Männer. Hast du da Berührungsängste?“

Alle Episoden aus der „Obenrum untenrum“-Kolumne findet ihr hier.

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