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Liebe Bettgeschichten: »Hat mir die Füße abgeleckt. Pfui«

Liebe: Bettgeschichten: »Hat mir die Füße abgeleckt. Pfui«
Unser Kolumnist trifft eine Frau, die seit zehn Jahren ein Sextagebuch führt. Was steht da drin.

Text: Sascha Chaimowicz | Illustration: Stefan Bachmann

»Mein erstes Mal. Aua. One-Night-Stand.« So beginnt das Sextagebuch, das Karolin vor zehn Jahren zu schreiben begann. Heute ist sie 27 und führt es noch immer. »Damit ich mich in vierzig Jahren darüber amüsieren kann«, sagt sie. Das ist untertrieben. Sie findet ihre Aufzeichnungen jetzt schon schrecklich amüsant. Sind sie auch. Sie kann sie kaum vorlesen, ohne zu lachen.

Ich treffe Karolin, 27, in ihrer Wohnung, in der sie seit einigen Monaten mit ihrem Freund lebt. An den unverputzten Wänden im Wohnzimmer hängen fünf Monitore, die Videokunst zeigen. Nur Privatinteresse, sagt Karolin, sie studiert Jura. Zum Gespräch am Bartresen in der Küche stellt sie selbst gemachte Plätzchen bereit. Unter der Bedingung, dass ich ihren Wohnort nicht nenne und alle Namen verändere, lässt sie mich ihr Sextagebuch lesen. Niemand kennt es, auch ihr Freund nicht. Es ist geordnet nach Feldern: Name, Zeitpunkt, Bemerkungen.

»Paul, Mai 2007. Bemerkung: Kumpel von Thomas. Schon mein Typ, aber der Sex war sehr langweilig. 3-mal Sex in einer Nacht, jeweils immer gleiche Stellungsabfolge … gähn. Fleischpenis.«
»Timm, Kumpel von Benni, November 2009. Bemerkung: hellblond, Schnauzer, gar nicht mein Typ. Meine 1. Affäre. Komisch geformter Penis, und dazu nicht sehr hart.«
»Tobias, Uni, Juni 2010. Bemerkung: großer Typ, kleiner Schwanz. Sex war sehr gut (circa vier Stunden lang), aber das war’s auch. Er war eifersüchtig. Hat mir die Füße abgeleckt. Jede Zehe einzeln, pfui.«

Das gesamte Tagebuch steckt voller solcher Unzulänglichkeiten und Pannen. »Sex läuft in den seltensten Fällen wirklich perfekt ab. Daran hat keiner Schuld, das ist einfach so«, sagt Karolin. Sie hat recht: Sex ist eben oft peinlich. Man schläft miteinander und kann sich am nächsten Tag kaum noch in die Augen sehen, weil einem wieder einfällt, was man da gestern Nacht im Bett miteinander veranstaltet hat.
»Tommy, Mitbewohner von Raffi, ›G-Punkt-Navi‹ :-), August 2011. Bemerkung: ein absoluter Macho, PC-Freak, Zocker. Halb-Argentinier. Großer, sehr harter Penis, perfekte Form, manchmal einfach zu groß. Perfect Fit. Sperma schmeckte sehr gewöhnungsbedürftig, nussig.«

Außerdem sortiert Karolin noch nach Geschlecht. Denn nach den Jahren, in denen sie nur mit Männern geschlafen hat, kommen im Jahr 2013 ein paar Frauen und Paare dazu. »Das war mein wildes Jahr«, sagt Karolin. Ihre Freundinnen finden, Karolin habe ein besonders aufregendes Sexleben. Karolin selbst sieht das anders, sie findet es eher gewöhnlich.
»Mr X und Mrs X, KitKatClub Berlin, Juni 2013. Bemerkung: kein GV, nur gegenseitige Handjobs, dabei umringt von wichsenden Männern. Eine sehr süße Sie und ein sehr schüchterner Er. Die Namen habe ich vergessen.«
»Fräulein ›Nimmersatt‹, Oktober 2013. Bemerkung: Nachmittagssex. Bildhübsch. Wollte einfach nicht aufhören, mich schnell und hart zu fingern. Selbst nach mehreren Orgasmen. One-Night-Stand.

Karolin spürt, dass es hilft, gerade die unaussprechlichen Details ihres Sexlebens aufzuschreiben, um sie gewissermaßen abzuheften und besser einordnen zu können. Sie ist entspannt, weil sie weiß: Peinlicher als das, was jetzt schon im Tagebuch steht, wird’s in Zukunft schon nicht werden.

Sascha Chaimowicz fragt jeden Monat Menschen, was für sie guter Sex ist. Was antwortet Ihr? Schreibt an bettgeschichten@neon.de

Dieser Text ist in der Ausgabe 01/15 von NEON erschienen. Hier können Einzelhefte des NEON-Magazins nachbestellt werden. Alle Ausgaben seit September 2013 gibt es auch digital in der NEON-App. Eine Übersicht aller »Bettgeschichten« findet ihr hier.

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