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Freizeit Durchs Wochenende mit … Lena

Freizeit: Durchs Wochenende mit … Lena
Und, wie war dein Wochenende so? Jede Woche fotografiert ein NEON-Redakteur sein Wochenende mit dem Handy. Diesmal: Textredakteurin Lena Steeg.

Freitag

07.50 Uhr
Mein Wochenende beginnt an einem Freitagmorgen und mit einer traurigen Erkenntnis. So viele Menschen, die ich mag oder bewundere, empfinden das Zugfahren als eleganteste und stilvollste Art des Reisens. Mir gelingt das nicht. Schon lange vor Einfahrt des Zugs montiere ich auf dem Bahnsteig hektisch meine ZEIT auseinander. Ich suche eine Seite, die ich auf den vergilbten Cordbezug legen kann, um nicht in Berührung zu kommen mit all dem, das auf Bahnsitzen täglich seine ganz eigene kleine Evolution feiert. Am Ende wähle ich ein Taschentuch. Mein Sitznachbar verdreht die Augen.

Dreieinhalb Stunden geht es durchs superschöne Deutschland. Rapsfelder, Schrottplätze, Schrebergärten, endlose Weiden, Schafe, Kühe, Pferde. Immerhin das merke ich beim Zugfahren jedes Mal: Ich will nirgendwo anders leben.

Freizeit: Durchs Wochenende mit … Lena

11.20 Uhr
In Duisburg steige ich aus. Gut, da will ich nicht so gerne leben. Glücklicherweise weiß mein Vater das und holt mich ab. Wir fahren nach Dinslaken. Meine Mutter hat Kaffee gekocht und Obst geschnitten. Offenbar aber nicht für mich. Meinem Vater, der im Garten rumwerkelt, wie das nur Väter stundenlang können, ruft sie durchs gekippte Küchenfenster zu: »Deine Tochter hat gerade ein Kilo Erdbeeren gegessen!«

Freizeit: Durchs Wochenende mit … Lena

15.00 Uhr
Als Entschuldigung gehe ich in den Keller und sortiere aus vier Umzugskartons meine Kindheit und Jugend in verschiedene Stapel, die bald Haufen, dann Berge werden.

Dinge, die ich wegwerfe: 64 Videokassetten, die komplette sechs DVD-Staffeln von »Dawson’s Creek«, Jeans, Uniunterlagen, Schulaufsätze, Fotos.

Was ich behalte: Alles von der Kelly Family und eine Hausarbeit über den Autor Peter Stamm, mit dem ich gerade erst ein Interview für die nächste NEON gemacht habe (wie ohnehin immer: unbedingt kaufen!).

Freizeit: Durchs Wochenende mit … Lena

Falls es mal jemand sucht:

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20.00 Uhr
Später sind meine Eltern auf einem Grillfest eingeladen. Ich bleibe zuhause und esse Eis zum Abendessen. Kein Kilo, immerhin.

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Samstag

11.00 Uhr
Am nächsten Morgen fahre ich in die Stadt und besichtige Orte, an denen etwas begann. Zum Beispiel: Die Lokalredaktion der Rheinischen Post, in der ich meine ersten Artikel schrieb.

Freizeit: Durchs Wochenende mit … Lena

13.30 Uhr
Und den Italiener, bei dem ich zu Unizeiten gerne essen gegangen bin. Im Rückblick bin ich mir folgender Restaurantfaustregel sehr sicher: Je kleiner die Stadt, desto größer die Portionen.

Freizeit: Durchs Wochenende mit … Lena

15.20 Uhr
Auf dem Weg zum Auto komme ich an meinem Lieblingsgraffiti vorbei. Es unterstreicht die Bedeutung seiner Botschaft mit der bewusst falschen Orthographie. Genial.

Freizeit: Durchs Wochenende mit … Lena

15.30 Uhr
Für Wortspiele haben wir in Dinslaken was übrig. »Kunst sta(d)tt Leerstand« heißt eine Aktion, bei der Künstler aus der ganzen Republik in leerstehenden Ladenlokalen ihre Werke zeigen. Mir gefällt trotzdem einiges. Zum Beispiel das, was Steffen Heisch aus Freiburg macht. Ich kaufe ein Max-Herre-Bild auf umgedrehter Leinwand.

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16.00 Uhr
Als ich nach Hause komme, ist mein Vater sehr aufgeregt. Vor einiger Zeit hatte er in unserem Teich über 60 Kaulquappen ausgesetzt. Nun entdeckte er endlich einen kleinen Frosch. Ein Freund, dem ich die frohe Botschaft via Whatsapp-Foto schicke, erklärt, unsere Familie habe damit neue Biosphäre geschaffen, was deutlich erhabener klingt als »Lebensraum«. Als ich meinem Vater davon berichte, ist er noch ein bisschen stolzer. Der Frosch heißt Willi.

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18.30 Uhr
Beim neuen Japaner in der Stadt bestellt man sein Essen nicht bei Menschen, sondern über iPads, die auf jedem Tisch liegen. Das gilt zumindest in Dinslaken als der endgültige Beweis für den Fortschrittsgeist der Menschheit.

Frühes Fazit meines Wochenendes: Zuhause ist da, wo man satt wird.

Freizeit: Durchs Wochenende mit … Lena

Glückskeksinhalt – heute mehr Befehl als Prophezeiung.

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20.30Uhr
Abends schauen wir die große Xavier-Naidoo-Dokumentation auf Vox. Etwa sieben Mal fällt der Satz: »Der hat seiner Mutter ein Haus gekauft!« Ich hole mir extra noch ein paar Erdbeeren.

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23.45 Uhr
Vorm Schlafgehen öffne ich meine erste Instagram-Direktnachricht. In ihr: der nettesten Leserbrief (zur aktuellen NEON-Titelgeschichte), den ich je bekommen habe. Marie, Marie, vielen lieben Dank!

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Sonntag

10.00 Uhr
Am Sonntagmorgen endet ein privates Kurzexperiment. Das ungeheuerliche Ergebnis: Meine Eltern sind, soweit ich weiß, die einzigen Menschen auf der Welt, die die Toilettenpapierrolle zur Wand hin abrollen. Selbst wenn man die Rolle mehrmals in die richtige Richtung legt, drehen sie sie immer wieder zurück.
Da kennt man sich so lange und ist sich doch so fremd.

Freizeit: Durchs Wochenende mit … Lena

11.45 Uhr
Wir fahren aufs Land, zu meiner Oma. Sie ist 93 und bester Laune. »Das Leben ist schön«, sagt sie, als gerade mal keiner spricht. »Lass dir da bloß nichts anderes erzählen. Man hat immer seine Probleme, aber am Ende, das sag ich dir, am Ende sagt jeder: Das Leben ist schön.«

Freizeit: Durchs Wochenende mit … Lena

13.00 Uhr
Auf dem Heimweg fahren wir rechts ran und machen dieses Foto. Das Leben ist wirklich sehr schön.

Freizeit: Durchs Wochenende mit … Lena

15.30 Uhr
Am Nachmittag ist das Leben immer noch schön, aber das Wetter nicht mehr. Meine Freundin Steffi fährt mit mir in den Duisburger Innenhafen. Zwei Stunden regnet es in Strömen. Steffi zeigt auf eine Pfütze und sagt: »Schau, ganz viel Wasser! Eigentlich musst du gar nicht zurück nach Hamburg!«

Freizeit: Durchs Wochenende mit … Lena

17.40 Uhr
Sie bringt mich trotzdem zum Bahnhof. In meinem Sechserabteil sitzen schon drei Männer. Sie haben die Schuhe ausgezogen und ihre Füße auf die gegenüberliegenden Sitze gelegt. Immerhin haben sie einen Hund dabei, der alle Menschen anknurrt, die nach mir das Abteil betreten wollen. Wir sind für den Rest der Fahrt so etwas wie eine Gang. Meine Schuhe behalte ich trotzdem an.

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21.20 Uhr
Elbbrücken. Hamburg. Kein Witz: Mir klopft jedes Mal wieder das Herz. Ich muss an einen der vielen schlaue Sätze meines Kumpels Oliver Wurm denken: »Dass diese Stadt keinen Eintritt nimmt, ist nach wie vor eine noble Geste.«

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21.45 Uhr
Und dann gibt es das Allerallerschönste: Willkommenzuhauseblumen.

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